Kräfte beim Slacklinen: Fixpunktbelastung berechnen
Erwartbare Kräfte an den Fixpunkten:
kN bei statischer Belastung & kN bei dynamischer Belastung
Wer sich mit Slacklines beschäftigt, der beschäftigt sich zwangsläufig auch mit Physik. Genaugenommen mit den Kräften, die sich beim Spannen der Line ergeben.
Beim Spannen und Begehen einer Slackline wirken Kräfte auf das System im Ganzen aber auch auf die Bestandteile im Speziellen. Die auftretenden Kräfte zu kennen, ist wichtig. Schließlich sollte man wissen, ob einzelne Komponenten die auftretenden Kräfte aushalten und das System somit sicher ist – oder nicht.
Zwar sind die Bruchlastwerte auf allen marktüblichen Materialien notiert, aber die wenigsten wissen, welche Kräfte bei der Nutzung einer Slackline auftreten und wie diese sich durch unterschiedliche Handhabungen der Line verändern können.
Das Vokabular: Kräfte und Einheiten
Bei physikalischen Rechnungen muss man im Vorfeld immer die Begrifflichkeiten definieren und beschreiben.
Was sind Kräfte?
Beim Slacklinen werden die Kräfte in Kilonewton (kN) oder manchmal auch in Dekanewton (daN) angegeben.
Häufig fehlt Nichtphysikern die Vorstellung wie groß ein Newton ist, ganz zu schweigen von einer Relation für ein kN. Als beliebtes Beispiel dient hier die Tafel Schokolade: Hebt man eine Tafel Schokolade mit 100g hoch, wirkt auf die tragende Hand eine Kraft von 1N. Rechnet man dies auf einen Slackliner von 80kg hoch, dann entspricht die Kraft, die auf die Slackline wirkt 0,8kN.
Masse | Kräfte |
---|---|
1 kg | 10 N = 1 daN = 0,01 kN |
10 kg | 100 N = 10 daN = 0,1 kN |
100 kg | 1000 N = 100 daN = 1 kN |
1000 kg | 10 000 N = 1000 daN = 10 kN |
Bruchlast vs. Tragfähigkeit
Da sich das Slacklinen - grob genommen - aus dem Klettersport gebildet hat, werden hier gerne Materialien und Begrifflichkeiten verwendet, die dem Kletterer vertraut sein dürften. Stammt ein Produkt jedoch aus der Industrie oder dem Baumarkt, kann es gerne zu Verwirrung kommen. Häufig liegt der Grund bei den Bezeichnungen Tragfähigkeit bzw. Bruchfestigkeit/Bruchkraft.
Beim Bergsport beziehen sich die Festigkeitsangaben der Materialien immer auf die Bruchlast , also die Belastung bei der das Material „bricht“. Auf den Produkten aus der Industrie hingegen wird die Tragfähigkeit angegeben, also die zulässige Belastung im Gebrauch. Diese liegt weit unter der Bruchlast. So kommt es, dass die dünnere Schlinge aus dem Klettern eine Bruchlast von 22kN (2,2t) aufweist, die wesentlich stärkere Schlinge aus der Industrie eine Tragfähigkeit von 500kg (5kN).
Der Sicherheitsfaktor gibt bei Industrieprodukten an, um wie viel die Bruchlast die Tragfähigkeit übersteigt. Eine Industrieschlinge mit einem Sicherheitsfaktor 7 und einer Tragfähigkeit von 500kg hat demnach eine Bruchlast von 3500kg, also 35kN, und liegt damit wesentlich über der der dünnen Dyneema Schlinge.
Welche Kräfte wirken beim Slacklinen?
In einem Slacklinesystem übt aber nicht nur der Slacker durch seine Masse Kraft aus. Hinzu kommt noch die Kraft, die man in das Spannen der Line gesteckt hat, sie bezeichnet man als Vorspannkraft oder Vorspannung . Ein weiterer wichtiger Faktor sind die Reaktionskräfte , die durch die Bewegung des Slackliners im System entstehen, wenn dessen Gewicht das Band dehnt und einen Winkel bildet.
Kräfte bei Durchhang: Der Winkel macht´s
Entscheidend für die Kräfte in einem Slacklinesystem ist der Durchhang der Line im Verhältnis zur Länge. Hier gilt: Je kleiner der Winkel, der sich am Fixpunkt zwischen der geraden (unbelasteten) Line und der schrägen (belasteten) Line bildet, im Verhältnis zur Länge der Line, umso größer ist die Belastung auf die Fixpunkte .
Gehen wir davon aus, dass der Slackliner ruhig und mittig auf der Line steht, entsprechen die berechneten Werte ziemlich exakt den gemessenen. Daraus ergibt sich, dass aus der Länge, dem Durchhang (bzw. den Winkeln) und dem Gewicht des Slackliners eine Aussage über die auftretenden Kräfte gemacht werden kann.
Übrigens sind die auftretenden Kräfte bei einer mittigen Belastung am höchsten. Aus diesem Grund wird immer dieser Fall betrachtet.
α | β | Durchhang (D) einer 10m-Linie | Vielfaches der Last auf Fixpunkten | Kraft auf Fixpunkt bei Person mit 80kg |
---|---|---|---|---|
0,5° | 179° | 0,04 m | 57,3 | 45,8 kN |
1° | 178° | 0,09 m | 28,6 | 22,9 kN |
1,5° | 177° | 0,13 m | 19,1 | 15,3 kN |
2° | 176° | 0,17 m | 14,3 | 11,4 kN |
2,5° | 175° | 0,22 m | 11,5 | 9,2 kN |
5° | 170° | 0,44 m | 5,7 | 4,7 kN |
7,5° | 165° | 0,66 m | 3,8 | 3,0 kN |
10° | 160° | 0,88 m | 2,9 | 2,3 kN |
15° | 150° | 1,34 m | 1,9 | 1,5 kN |
20° | 140° | 1,82 m | 1,5 | 1,2 kN |
25° | 130° | 2,33 m | 1,2 | 1,0 kN |
30° | 120° | 2,89 m | 1,0 | 0,8 kN |
Die Formel
Bereits 2006 hat die Sicherheitsforschung des DAV die Erkenntnisse über Kräfte beim Slacklinen in eine Formel gepackt. Mit ihr lassen sich die Kräfte in einem System schnell und unkompliziert berechnen. Da ein Slacklinesystem seine Schwachstelle fast immer bei den Fixpunkten oder der Fixierung des Bandes hat, spricht man in der Regel über die Kräfte, die an diesen Stellen auftreten (" Fixpunktbelastung ").
F = (L x G) / (D x 400)
F = Kraft an den Fixpunkten (in kN); L = Länge der Slackline (in m)
D = Durchhang bei Belastung (in m); G = Gewicht des Begehers (in kg)
Dynamische Belastungen
Bisher sind wir von einer
statischen Belastung
ausgegangen – der Slackliner steht. Da der Slackliner sich
aber normalerweise fortwährend bewegt, gerne mal auf der Line wippt oder
bei Fortgeschrittenen auch springt, müssen auch die
Eine eher kurze Line ist mit einer Vorspannung von ca. 1kN relativ locker gespannt. Wird die Line durch eine Person belastet, steigen die Kräfte an den Fixpunkten an. Beginnt die Person zu wippen, können Kräfte von 5-6kN erreicht werden.
Eine Line mit 8m Länge ist mit 6kN recht hart gespannt, z.B. wenn sie als Jumpline genutzt wird. Steht der Slackliner auf der Line steigen die Werte maximal um 1kN. Durch Sprünge können die Reaktionskräfte allerdings Werte um 9-11kN erreichen.
Richtwerte für den Zuwachs der Reaktionskräfte:
- Beim herkömmlichen Slacklinen erhöhen sich die Reaktionskräfte im System ca. um den Faktor 1,5.
- Beim Jumplinen bzw. bei schwach gespannten Lines steigen die Kräfte um einen Faktor von 1,5-2.
- Bei Longlines ist der Kräftezuwachs bei dynamischen Belastungen hingehen minimal und nicht praxisrelevant.
Erfahrungen aus der Praxis
Da Berechnungen am besten funktionieren, wenn man sie mit Erfahrungen und Messwerten kombiniert, wollen wir Euch hier ein paar Erfahrungswerte mit auf den Weg geben:
- Richtige „slack“ Lines also solche, die wenig vorgespannt sind, erzeugen keine nennenswerten Kräfte.
- Verwendet man beim Aufbau von moderaten Longlines (Vorspannung liegt unter 10kN) und üblicher Jumplines, herkömmliche Ausrüstung muss man sich wegen den auftretenden Kräften eigentlich keine Sorgen machen.
- Bei herkömmlichen Slackline-Materialien werden kritische Werte eigentlich nur erreicht, wenn Lines sehr kurz und sehr hart gespannt werden und dann noch mehrere Personen darauf wippen.
- Im Longlinebereich treten die höchsten Kräfte beim Spannen der Line auf.
Fritz Miller und Daniel Mauser haben sich in ihrem Buch "Slackline" die Mühe gemacht, Kräfte in unterschiedlichsten Slacklinesytemen zu messen . Netterweise haben sie uns erlaubt, euch die Messergebnisse zur Verfügung zu stellen:
Download der Messwerte als PDFBefestigung der Slackline an Bäumen
In den meisten Fällen dienen Bäume als Fixpunkte. Hier sollte man bedenken, dass die ausgewählten Bäume zum einen stabil genug sind um die auftretenden Belastungen zu halten. Zum anderen sollte man daran denken, dass Schäden an Bäumen nicht so einfach zu beheben sind, wie beispielsweise zu Bruch gegangenes Material. Gerade Bäume in Parkanlagen, die häufig zum Slacklinen verwendet werden, erfahren eine hohe Belastung ihrer Rinde. Hier sollte auf jeden Fall ein Baumschutz unter die Fixierung gelegt werden. Gleichzeitig ist es ratsam Systeme zu verwenden, die zum einen wenig am Baum „schubbeln“, zum anderen die Kraft möglich flächig verteilt.
Stehen keine geeigneten Bäume zur Verfügung, lassen sich Slacklines auch mit alternativen Befestigungen spannen. Beispiele hierfür sind Erdanker, tragende Elemente von Bebauungen oder in Hallen, oder aber komplette Slacklinegestelle.