Illimani La Paz

Climbing Cholitas – Moderne Bergsteigerinnen in traditioneller Kleidung

Inhaltsverzeichnis

Die Cholitas Escaladoras oder auch Climbing Cholitas sind eine Gruppe indigener bolivianischer Frauen vom Volk der Aymara, die in ihren traditionellen Kleidern Bergesteigen gehen. Doch dahinter steckt so viel mehr als Brauchtum, Folklore oder Mode. Es geht um nichts weniger als die Rolle der Frau in Bolivien, die Emanzipation im Allgemeinen und das Ausleben eines großen Traums. Um aber zu verstehen, warum die Cholitas Escaladoras mehr sind als nur bergsteigende Frauen in bunten Röcken, hilft ein kurzer Blick auf die Entstehungsgeschichte der traditionellen Kleidung der Cholitas.

Die Cholitas und ihre Identität

In Bolivien werden indigene Frauen, die traditionelle Kleidung tragen, Cholas oder auch Cholitas genannt. Zu einem solchen Outfit gehören unter anderem der farbenfrohe Rock mit den vielen Unterröcken, der typische (Männer-)Hut, aber auch Accessoires wie beispielsweise Schmuck und Tücher. Hierbei handelt es sich um einen hybriden Kleidungsstil, der starke europäische Einflüsse hat und letztlich in den 1920er Jahren entstanden ist. Er verbindet die durch die spanischen Kolonisatoren streng vorgegebenen Schnitte mit traditionellen Mustern, Farben und Stoffen.

Bolivianische Tracht
Frauen hatten in Bolivien lange keinen leichten Stand

Gleichzeitig war diese Kleidung zur Zeit der Kolonialisierung aber auch ein Mittel zur Ausgrenzung. Die Bezeichnung Cholita galt als Schimpfwort. Indigene Frauen waren zu dieser Zeit oft Analphabetinnen, galten als ungebildet, rückständig und wurden nicht ernst genommen. Ihnen wurde eine traditionelle Frauenrolle zugeschrieben. Kinder bekommen, Haushalt führen, Vieh hüten, Hilfstätigkeiten ausführen. Kurzum: Sie wurden von vielen Bereichen des Lebens ausgeschlossen und diskriminiert.

Die Wahrnehmung der Cholitas in der Öffentlichkeit hat sich aber bis heute stark gewandelt und ihre traditionelle Kleidung hat es bis in die Gegenwart geschafft. Heute tragen die Cholitas ihren Namen und die ikonische Kleidung mit Stolz und als Symbol ihrer Identität. Das Frauenbild ist in Bolivien jedoch noch immer vergleichsweise traditionell, und Frauen werden nicht selten von Bereichen des Lebens ausgeschlossen, die typischerweise als Männerdomäne gelten.

Doch auch dieses klassische Rollenbild wandelt sich langsam. In ganz Bolivien setzen sich Gruppen indigener Frauen für die Gleichstellung der Frau in der Gesellschaft ein und dringen letztlich auch in Bereiche vor, die bis vor wenigen Jahren reine Männersache waren. Hierzu zählen beispielsweise die Wrestlerinnen (Cholitas luchadoras), Skateboarderinnen und eben auch die Bergsteigerinnen.

Die Cholitas Escaladoras und ihre Tradition

Wie es sich für waschechte Cholitas gehört, kleiden sich auch die Cholitas Escaladoras nach dem traditionellen Stil der bolivianischen Frauen. Sie verzichten bei ihren Bergtouren und Expeditionen seit jeher bewusst auf moderne Funktions- oder Sportkleidung. Lediglich die traditionellen Schuhe und der Hut werden gegen Bergstiefel und Kletterhelm getauscht. Auch ein Rucksack kommt bei den Climbing Cholitas nicht zum Einsatz. Alles, was sie für die Bergtour brauchen, tragen sie in ihren bunten Tragetüchern mit sich.

Dennoch betreiben die Climbing Cholitas kein historisches Bergsteigen, sie verwenden moderne (Sicherheits-)Ausrüstung. Bergschuhe, Steigeisen, Eisgeräte, Seile und vieles mehr entsprechen dabei dem Stand der Technik. Zusätzlich haben die Frauen auch einen Weg gefunden, wie sie herkömmliche Sitzgurte problemlos mit ihren voluminösen Röcken tragen können. Anseilen, Einbinden und Sichern ist dabei ebenfalls kein Problem.

Vor der Besteigung: Mit einem Verbrennen der Opfergaben werden die Götter um Erlaubnis gefragt

Doch wenngleich die Cholitas Escaladoras moderne Ausrüstung einsetzen, gehen mit ihren Bergtouren auch immer gewisse Rituale einher. Die Climbing Cholitas gehören allesamt dem Volk der Aymara an, einer Volksgruppe, die im Andenraum lebt und etwa 30 bis 40 Prozent der bolivianischen Bevölkerung ausmacht.

Wie jedes indigene Volk haben auch die Aymara ihre eigenen Rituale, Götter und Mythen. Hierzu zählen beispielsweise Opfergaben, die vor jeder Tour erbracht werden und den Berg besänftigen sollen. Die Opfergaben bestehen dabei beispielsweise aus einer Mischung von Zuckerfiguren, Wachsplättchen, Kräutern und Kokablättern. Diese werden zu Ehren von Achachila dem Berggott und Pachamama, der Mutter Erde, vor einer Tour auf einem Holzfeuer verbrannt. Die Frauen bitten damit den Berg um Erlaubnis, den Gipfel besteigen zu dürfen. Das Ritual soll außerdem zu einem guten Gelingen und einer sicheren Besteigung beitragen.

Die Geschichte der Climbing Cholitas

Bergsteigen war in Bolivien lange Zeit alleine Männern vorbehalten. Wenn überhaupt, kamen Bergsteigerinnen eigentlich nur aus dem Ausland. Seit 2015 sind jedoch die Cholitas Escaladoras in Bolivien aktiv und zeigen eindrücklich, dass auch für Frauen Platz auf den Gipfeln der Anden ist.

Tragetücher Climbing Cholitas
Die farbenfrohen Tragetücher der Cholitas

Die Gründung der Climbing Cholitas geht dabei auf Lidia Huayllas Estrada zurück. Sie arbeitete damals als Köchin in einem Basislager der Bergsteiger. Schon von klein auf war es ihr Traum, die Berge der Region um La Paz und ihre Heimatstadt El Alto zu besteigen. Dies blieb ihr jedoch, wie vielen anderen indigenen Frauen in Bolivien, verwehrt. Zwar arbeiteten zu diesem Zeitpunkt viele Frauen in den Bergen, beispielsweise als Köchinnen oder Trägerinnen, weiter bis zum Basislager kamen sie jedoch nie.

2015 gründete Lidia Huayllas Estrada schließlich die Cholitas Escaladoras, indem sie andere Frauen dazu motivierte, ihrem Traum zu folgen und die Berge zu besteigen. Ein erster Erfolg stellte sich schnell ein, und die Frauen bezwangen den Huayna Potosí mit seinen 6088 Metern beim ersten Versuch. Die Anfänge am Berg waren dabei nicht einfach. Die Frauen hatten kaum Erfahrung beim Klettern und Begehen von Gletschern. Das nötige Wissen und allgemeine Fähigkeiten, die es für eine entsprechende Besteigung braucht, mussten sie sich von ihren Partnern oder Touristen abschauen und selbst aneignen.

2017 kam es dann zur erfolgreichen Besteigung des Illimani (6492 m). Hierbei handelt es sich um den zweithöchsten Berg Boliviens und den höchsten Gipfel des Illimani-Massivs in der Region La Paz. Nach der Besteigung dieses Gipfels waren die Cholitas an einem Punkt angekommen, an dem Bergsteigen nicht mehr nur reines Freizeitvergnügen war. Die Frauen ließen sich ausbilden und wurden so zu den ersten Bergführerinnen in Bolivien.

Immer höher hinaus

2019 kam es dann zum bislang größten Erfolg der Cholitas Escaladoras: der Besteigung des Aconcagua (6961 m) in Argentinien. Der Aconcagua ist mit seinen fast 7000 m nicht nur der höchste Berg der Anden, sondern auch der höchste Berg außerhalb Asiens. Eine Besteigung auf dem Normalweg stellt erfahrene Bergsteiger normalerweise vor keine größeren technischen Herausforderungen. Die Höhe hingegen belastet jedoch den Körper stark und macht den Aufstieg somit zu einer definitiv ernstzunehmenden Tour. Die Expedition der Climbing Cholitas wurde vom bolivianischen Ministerium für Kultur und Tourismus gefördert. Gleichzeitig ist die Besteigung des Aconcagua die zentrale Handlung eines spanischen Dokumentationsfilms über die Climbing Cholitas.

Im Jahr 2023 kam ein weiterer wichtiger Gipfel für die Climbing Cholitas hinzu, der Ojos del Salado (6893 m), der auf der Grenze von Chile und Argentinien liegt. Hierbei handelt es sich um den höchsten Vulkan der Erde und den zweithöchsten Gipfel auf dem amerikanischen Kontinent. Der Ojos del Salado ist ein beliebter Gipfel bei erfahrenen Bergsteigern, dabei stellen aber die Höhe des Berges, die Länge der Tour und nicht zuletzt das oft unberechenbare und extreme Wetter eine echte Herausforderung dar.

Hohe Ziele: Nächstes Jahr wollen die Cholitas des Mount Everest erklimmen

Die Climbing Cholitas sind moderne Frauen, die sich ihren Platz in der Männerwelt hart erarbeitet haben. Wurden sie anfangs belächelt, ausgegrenzt und von den männlichen Bergsteigern nicht akzeptiert, haben sie sich mit der Zeit ihre Anerkennung erkämpft. Heute gelten die Bergsteigerinnen nicht nur in der Region La Paz als Vorbild. Sie wollen mit ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit ein Zeichen setzen und aufzeigen, dass Frauen in Bolivien Tag für Tag für ihren Erfolg kämpfen müssen. Nicht zuletzt setzen sie sich für ein freies und selbstbestimmtes Leben der Frauen in Bolivien ein.

Climbing Cholitas auf dem Dach der Welt?

Doch auch an Plänen für die Zukunft fehlt es den Cholitas Escaladoras nicht. Ein großer Traum der Gruppe ist es, den Mount Everest zu besteigen. Ein Aufstieg ist für April 2025 geplant, die Frauen bereiten sich seit längerem auf dieses Projekt vor und versuchen außerdem finanzielle Unterstützung für die Expedition zu finden.

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Bergfreundin Lisa

Kurztext: Ich bin nicht zum Bergsport gekommen, der Bergsport ist zu mir gekommen. Ende der 80er haben mir meine Eltern gezeigt wie man Ski fährt und Ende der 90er habe ich das Klettern im Verein gelernt. Seit meiner Jugend gehören außerdem Ski- und Hochtouren zu meinen festen Bergsportdisziplinen.

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