PCT-Schild mit Wanderern im Hintergrund

Der Pacific Crest Trail von Norden nach Süden

Der Pacific Crest Trail ist einem der drei großen Fernwanderwege in den USA und hat eine Länge von 4.265 Kilometern. Im Jahr 2024 haben insgesamt 4467 Wanderer ein Permit für einen Thru-Hike auf diesem Wanderweg beantragt. Davon sind 3935 Wanderer von Süden nach Norden gewandert und nur 532 in die andere Richtung. Warum ist das so und warum habe auch ich mich 2016 dazu entschieden, es genauso zu machen?

Inhaltsverzeichnis

Die Herausforderungen auf dem Trail

Die Gründe, warum sehr viel weniger Menschen die PCT von Kanada in Richtung Mexiko zu durchwandern versuchen sind unterschiedlich. Southbound ist zunächst einmal logistisch anspruchsvoller, weil es verboten ist, zu Fuß von Kanada auf dem PCT in die USA zu gehen. Das bedeutet, dass ich einen Teil des Weges doppelt zurücklegen muss, wenn ich vom nördlichen Startpunkt aus losgehen möchte..

Dann ist das Zeitfenster für einen Southbound-Thru Hike zum einen anders, und zum anderen auch kürzer als bei der „klassischen“ Variante in Richtung Norden. Der Thru-Hiker muss warten bis die Schneehöhe in den Cascades beherrschbar ist. Dies ist je nach Jahr von Ende Juni bis Ende Juli der Fall, was eine höhere Spontaneität für den Start erfordert. Ich habe dann bis grob Anfang Oktober Zeit, um rechtzeitig über die Sierra Nevada zu kommen, bis dort der Winter einbricht. Wenn man diese Herausforderungen annimmt, dann ist ein Southbound-Thru Hike aufgrund der geringeren Menschenmenge und der insgesamt weniger Regentage ein unvergleichliches Abenteuer, das man in seinem Leben nicht mehr vergessen wird.

Der PCT in Washington – Schnee, Blow-Downs und erste Bären

Nach einer Woche des Ausharrens in Bellingham, Washington war es so weit: Die Wetterstation am Harts Pass zeigte 0 inches. Das bedeutet jedoch nicht, dass es keinen Schnee mehr gibt. Vielmehr zeigt es an, dass die notwendige Schneehöhe erreicht ist, um losmarschieren zu können. Nach einem kurzen Teilabschnitt auf dem Pacific Northwest Trail, bis dieser den PCT kreuzt, ging es über erste Schneefelder in den Cascade Mountains. Diese spektakuläre Gebirgskette zieht sich durch ganz Washington, bis zum nördlichen Monument. Der Beginn einer 5-monatigen Fernwanderung durch die Wildnis des Westens – voller Abenteuer, Herausforderungen und unvergesslicher Naturerlebnisse.

Der PCT in Washington ist traumhaft schön, die Wildblumen beginnen zu blühen, die Gipfel sind noch schneebedeckt. Doch nach 2 Wochen folgte dann die erste Ernüchterung. Über 20 Meilen war kein Trail mehr zu sehen. Der Trail war komplett unter umgestürzten Bäumen verborgen. Unter den Stämmen durchkriechen, darübersteigen, auf nassem Holz balancieren –  all das sind keine vergnügungssteuerpflichtigen Dinge, wenn man einen 15 Kilogramm schweren Rucksack auf dem Rücken trägt. Der Frust über das langsame Vorankommen wuchs täglich. Alles tat weh, die Beine waren verschrammt und den nun häufiger werdenden Moskitos ausgeliefert. Da half auch die erste von insgesamt drei Begegnungen mit einem Bären direkt auf dem Trail zunächst nicht, die Motivation wieder zu heben. So beeindruckend diese Tiere in freier Wildbahn auch sind: Ich fragte mich ernsthaft, worauf ich mich da eingelassen hatte.

Erste Zweifel

Ich hatte erste Gedanken ans Aufgeben. Doch ein kurzer Aufenthalt bei den Dinsmores, einer der bekanntesten Trail Angels auf dem PCT, ließ die Laune besser werden. Die Gastfreundschaft dieser Menschen, die selbstlos und unentgeltlich wildfremde Menschen beherbergen und bewirten, wird mir für immer in Erinnerung bleiben. Kurz darauf folgte ein landschaftliches Highlight: die Goat Rocks Wilderness mit fantastischen Ausblicken auf den Mount Rainier und den Mount Adams ließ die Strapazen wieder verblassen. Die Stimmung konnte sich wieder aufhellen.

Goat Rocks Wilderness mit Blick auf den Mount Rainier
Die beeindruckende Landschaft der Goat Rocks Wilderness mit fantastischem Ausblick auf den Mount Rainier.

Aber die Blow Downs und immer wieder schwierige Navigation über die Schneefelder in Washington hatten meinen Zeitplan durcheinandergebracht. Ich lag etwa zwei Wochen hinter meinem ursprünglichen Zeitplan. Der Abstieg nach Cascade Locks stand bevor – einer von nur zwei Orten, die direkt am Pacific Crest Trail (PCT) liegen. Ich musste mich beeilen, um es im Herbst noch rechtzeitig über die Sierra Nevada zu schaffen. Also in Cascade Locks den üblichen Resupply für den nächsten Abschnitt einkaufen, einen kurzen Burger und schweren Herzens auf die eigentlich geplanten Ruhetage verzichten. Im Hiker-Jargon nennt man sie „Zerodays“ – Tage, an denen man keine Meile wandert. Doch dafür war jetzt leider keine Zeit mehr.

Oregon – Lava und Feuer

Der PCT in Oregon führt durch viel waldreiches Gelände. Das eher moderate Terrain erlaubt es mir, viele Kilometer zu machen. Mit einer Einkehr am berühmten Frühstücksbuffet in der Timberline Lodge am Skigebiet des Mount Hood, Drehort des Stanley Kubrick Films The Shining, geht es so richtig los im Beaver State.

Immer wieder bieten sich wundervolle Ausblicke auf die Three Sisters in der gleichnamigen Wilderness Area. Die spitzen Lavasteine, die hier große Abschnitte des Trails prägen, sind allerdings Gift für meine Schuhe. Ich muss diese ein erstes Mal tauschen, was zu einem weiteren ungeplanten Stopp führt. In Oregon beginnt der Trail dann auch für den Southbound-Hiker zu einem sozialeren Erlebnis zu werden. Ab hier kommt einem die ganze große Bubble der Northbounder entgegen. Man wird immer wieder zu einem Schwätzchen und Erfahrungsaustausch verleitet.

Trotzdem sind mittlerweile Tage mit 40 Kilometern und mehr keine Seltenheit mehr. Ich komme gut voran, bis die ersten Nachrichten über Waldbrände eintreffen. Diese machen auch den sehr bekannten Crater Lake, eines der Highlights auf dem PCT, unzugänglich. Aber ich habe Glück. Kurz bevor ich den Crater Lake erreiche, wird der Abschnitt wieder freigegeben. Kurz darauf erreiche ich die kleine Universitätsstadt Ashland. Ich treffe auf einen früheren Mitwanderer. Wir hatten uns seit einem Zero Day im winzigen Örtchen Stehekin in Washington nicht mehr gesehen. Wir beschließen, gemeinsam nach Kalifornien zu wandern, dem letzten Bundesstaat auf dem Trail.

Crater Lake
Kurz vor meiner Ankunft wird der Zugang zum Crater Lake wieder freigegeben – Atemberaubend.

Kalifornien – Hitze, Wasser und Höhe

Wenn man Kalifornien auf dem Pacific Crest Trail betritt, dann ist das zunächst eine mentale Herausforderung. Es ist schwer vorstellbar, dass ich die letzten 1692 Kilometer nur noch in diesem Bundesstaat verbringen werde. Das Passieren der Halfway-Markierung ist gar nicht so einfach zu schlucken. Bitte? Ich bin erst zur Hälfte des Weges gekommen? Doch die Ausblicke auf den Mount Shasta in Nordkalifornien entschädigen schnell für den mentalen Tiefpunkt. Für etwas Abwechslung sorgt auch die legendäre Pan Cake Challenge in Seiad – 2,2 Kilogramm Pancakes müssen in zwei Stunden verputzt werden. Und wie so viele vor mir, habe auch ich die Challenge trotz meines mittlerweile riesigen Hiker Hungers nicht geschafft.

Es wird von Tag zu Tag heißer und das Wasser wird knapper. In der wüstenartigen Hat Creek Rim gibt es 46 Kilometer lang keine natürliche Wasserquelle. Das bedeutet viel Wasser schleppen und auf wundervolle Trail Angels hoffen. Sie haben ab und an Wasser und Softdrinks an den Wegesrand gestellt. Diese kleine Gesten bedeuten in der Hitze alles.

Klapperschlangen und Bären in der Sierra Nevada

Auch auf die sehr häufigen Klapperschlangen muss ich jetzt mehr und mehr achten. Zum Glück sind die Tiere scheu. Bisher haben sie mich immer in Ruhe gelassen. Da lässt sich dann doch auch die Hitze ertragen und die Vorfreude auf die vor einem liegende Sierra Nevada ansteigen. Vor dem Anstieg in die Hochgebirgsregion heißt es allerdings noch: einen Bear Canister organisieren. In der Sierra ist dieser spezielle Behälter zur sicheren Aufbewahrung von Lebensmitteln zwingend vorgeschrieben. Er dient dem Schutz vor Bären und der eigenen Sicherheit. Dann kann sie kommen: die sagenhafte Sierra Nevada.

Am Sonora Pass erreiche ich die Sierra Nevada. Ich habe direkt großen Respekt vor dem, was nun vor mir liegt. Jetzt beginnt das große Highlight auf dem Pacific Crest Trail: der Abschnitt durch die berühmten Nationalparks Yosemite, Kings Canyon und Sequoia. Namen, die jeder kennt und die für viele der Inbegriff des PCT-Traums sind. Doch dieser Abschnitt hat es in sich: ein unbarmherziges Hochgebirgsgelände, mit steilen Anstiegen. Es gibt insgesamt sieben Pässen und fast 24000 Höhenmetern. Ich bin zum Glück gut in Form. Die atemberaubende Berglandschaft insbesondere im Kings Canyon National Park lässt fast alle Mühen vergessen. Bevor ich den letzten Abschnitt der Sierra Nevada erreiche, muss ich noch einmal nach Bridgeport trampen, um einzukaufen und mich etwas zu erholen. Auch beim Trampen in die nächstgelegenen Ortschaften überwältigt einen die Hilfsbereitschaft der Menschen immer wieder.

Sonora Pass in der Sierra Nevada
Der schneebedeckte Sonora Pass in der Sierra Nevada (2.933m).

Kalte Wüstennächte – Der Herbst naht

Dann nähere ich mich Anfang Oktober dem Forester Pass, mit 4.009 Metern der höchste Punkt auf dem Long Distance Trail. Aber auch ich mache den kurzen Abstecher auf den Mount Whitney, der mit 4.421 Metern der höchste Berg der kontinentalen Vereinigten Staaten ist. Ich merke, dass der Herbst immer näher kommt. Es gibt einige Nächte in der Sierra Nevada, in denen mein Schlafsack mit -4 Grad Komforttemperatur an seine Grenzen kommt. In der zweiten Oktoberwoche erreiche ich das legendäre Kennedy Meadows und habe ich die Sierra Nevada hinter mir. Was jetzt noch vor mir liegt, sind 700 Meilen Wüste, eine faszinierende Hochwüstenlandschaft und die unbarmherzig heiße Mojave Desert.

Mount Whitney
Der Mount Whitney (oben mittig) ist mit 4421m der höchste Berg der kontinentalen USA. Den Gipfel habe ich mir nicht nehmen lassen.

In Südkalifornien merke ich aber recht schnell, dass das fordernde und steile Terrain der Sierra Nevada ihren Tribut gefordert hat. Ich bekomme immer wieder stechende Schmerzen im Knie, was mich in Big Bear Lake zu einer längeren Auszeit zwingt. Ich versuche, das Knie ausheilen zu lassen und mache nach einer Woche Pause noch einen Versuch. Aber es wird mir schnell klar, dass die Schmerzen einfach zu groß sind. Ich werde das südliche Monument an der mexikanischen Grenze nicht erreichen. Ich schleppe mich noch bis Warner Springs. Rund 200 Kilometer vor dem Ziel ist meine Reise zu Ende. Nach der ersten großen Enttäuschung überwog dann aber doch der Stolz auf das Erreichte und die Gewissheit, ein unvergleichliches Abenteuer erlebt zu haben, dass ich nie vergessen werde.

Daten & Fakten zum Pacific Crest Trail

StartDer einfachste Einstieg für den PCT Southbound ist die Ranger-Station am Harts Pass.
DauerDie meisten Thru Hiker benötigen für den kompletten Trail 5-6 Monate.
KostenDas ist sehr unterschiedlich, je nachdem wie oft ich in Städten übernachte und wie viel Ausrüstung ich im Vorfeld noch benötige. Ich habe insgesamt etwas über 6000€ ausgegeben.
Schwierigste TeilFür den Southbounder ist das schon zu Beginn der Bundesstaat Washington und der Abschnitt in der Sierra Nevada.
SchwierigkeitslevelDer PCT ist ein anspruchsvoller Weitwanderweg in häufig hochalpinem Gelände, aber mit etwas Bergerfahrung gut zu meistern.

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Bergfreund Marco

Die Faszination für die Berge kam mit frühen Hochtouren in den Alpen und verfestigte sich auf dem John Muir Trail in den USA.

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