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Die Bergfreunde zu Besuch bei DMM Wales: Trad Climbing mit Hindernissen

Inhaltsverzeichnis

Da stehen wir nun. Am Ufer des Llyn Padarn, in der kleinen Ortschaft Llanberis, im Reich der unaussprechlichen Worte und Namen. Wenige Minuten später: im lokalen Klettershop begrüßt man uns mit einem Grinsen im Gesicht. „Hey team ‘no shoes’. How are you doin‘?“ Gut dass wir schon wieder lachen können. Kurz darauf hocken wir mit drei Paar neuen Kletterschuhen bei unserem Kumpel Ben von DMM vor der Haustür, futtern Fish & Chips, als Hazel Findlay vorbeischlendert. Ein paar Pommes wechseln den Besitzer, bevor auch wir unsere Rucksäcke packen und für ein paar entspannte Seillängen in den Abend stiefeln.

Materialtechnisch und menschlich betrachtet ist DMM Wales ein Unternehmen vom Feinsten!
In puncto Hartware geht’s bei DMM in die Vollen!

Doch was genau machen wir eigentlich hier? Wenige Stunden zuvor: Euphorisch erklären wir den Sicherheitsbeamten am Flughafen Stuttgart, dass der Klumpen Metall in unseren Dufflebags zum Klettern benötigt wird. Ungläubige Blicke. Achja, und das weiße Pulver in den kleinen Taschen ist weder Koks noch Sprengstoff. So sitzen wir nun also entspannt im Flieger nach Manchester und blättern freudig in unserem Selective Guide für Nord-Wales. Schiefer-Platten, Trad climbing, ein Besuch bei DMM und super Wetter – rosige Aussichten für die nächsten 4 Tage.

Vor Ort angekommen, dann jedoch die große Ernüchterung. Keines unserer drei aufgegebenen Gepäckstücke hat die Reise je angetreten. Am Schalter tummeln sich die Reisenden, denn scheinbar wurde eine ganze Fuhre Gepäck schlichtweg vergessen.

Auf unseren Hinweis, dass es sich dabei um Kletter-Equipment im Wert von mehreren Tausend Euro handelt, versichert man uns, dass wir uns mit dem Nötigsten eindecken können (selbstverständlich alles auf Kosten einer nicht näher genannten irischen Billig-Airline), und man unser Zeug so schnell wie möglich nachschicken wird. Soweit, so gut. Also schnappen wir uns unseren Leihwagen, brausen nach Wales und kaufen uns erstmal das Wichtigste: Kletterschuhe und Schlafsäcke. Versteht sich doch von selbst, oder?

Die ersten Klettererfahrungen an den walisischen Felsen

Glücklicherweise sind wir offiziell mit einer kleinen Delegation Bergfreunde zu Besuch bei DMM, sodass es uns zumindest an Exen, Cams und Keilen nicht weiter mangeln sollte.

Auf den Spuren von Jerry Moffat und Co. – der Llanberris-Pass (hier: Dinas Mot) mit all seinen Felsen, die vor kletterhistorischer Bedeutung nur so sprühen.

Klettergurte, Halbseile, Helme und Co. bekommen wir ebenfalls leihweise vor Ort, Ben sei Dank. Dieser hat uns bereits einen Discount herausgehandelt und den örtlichen Kletterladen von unserer bevorstehenden Ankunft berichtet. Praktisch. Frisch ausgestattet machen wir uns also auf den Weg, endlich selbst Handanzulegen, an diesen wunderbaren walisischen Felsen…

Für mich persönlich waren die ersten vier Seillängen die Entjungferung im Trad climbing, ein großartiges Gefühl – keine Bohrhaken, keine Stände, keine Regeln. Nur eine Linie unter Hunderten, soweit einen die natürliche Struktur führt. Einzig meinen nigelnagelneuen Schuhen von Scarpa vertraue ich noch nicht so ganz, aber das kommt noch. So stehen wir erstmal im Sonnenuntergang am Rande des Tals und genießen die wahrhaft wildromantische Aussicht.

Ein Glücksmoment folgt dem anderen

Tags drauf, ein herrlicher Sonntag. Schon früh morgens klettert das Thermometer auf über 20°C und wir suchen uns einige der wenigen schattigen Plätzchen zum Klettern. Meine erste Trad Tour im Vorstieg – Yes! Und das noch vor dem Frühstück.

Morgens wurden wir mit einem typischen englischen Frühstück begrüßt.
Nicht jedermanns Leibspeise: English Breakfast.

So gibt es zur Belohnung erstmal ein English Breakfast mit Speck, Bohnen, Eiern und Würstchen unter freiem Himmel. Nicht jedermanns Sache, aber ich liebe es! Die herrliche Kulisse mit dem unweit entfernten Snowdon (1.085 m) im Hintergrund tut ihr Übriges. Und ganz generell zeigt sich der Norden Wales als wahres El Dorado für Outdoorsportler… Wir sehen Mountainbiker, Rennradfahrer und Backpacker. Über uns zieht ein einzelner Gleitschirmflieger seine Bahnen in der Thermik des Steinbruchs, ach, und der Atlantik ist auch nicht weit. Sogar eine künstliche Welle soll es hier in einem der Baggerseen geben.

Daraufhin gestaltet sich die Suche nach einem der Witterung angemessenem Kletterspot nicht ganz so leicht. In den bekannten Slate Quarries mit ihrem dunklen Schiefer fühlt man sich bei dem wolkenlosen Himmel wie ein Fisch im Backofen. Und doch scheint hier die Zeit irgendwie stehengeblieben zu sein. Verlassene Bauten der ehemaligen Minenarbeiter, verrostete Schienen- und Seilzugsysteme, sengende, flimmernde Hitze – eine beeindruckende Reise in die Vergangenheit, wenn man bedenkt, dass der Dinorwic-Steinbruch (der ehemals zweitgrößte Schiefersteinbruch der Welt) seit 1969 stillgelegt ist.

Zum Glück haben wir jedoch ausgewiesene Kenner des Gebietes dabei, welche uns nicht nur die kletterhistorische Bedeutung des Gebietes näher bringen, sondern auch eines der wenigen schattigen Plätzchen ausfindig machen: die Serengeti. Hier verbringen wir den Rest des Tages mit einigen der rar gesäten, gebohrten Sportkletterrouten sowie schönen Rissverschneidungen, in denen wir die nahezu gesamte Palette der mitgebrachten DMM Dragon Cams, Wallnuts, Offset Nuts, Brass Offsets, Peenuts sowie I.M.P.‘s ausgiebig testen können. Das nenne ich mal ‘ne Materialschulung vom Feinsten!

Werkbesichtigung in Llanberis

Die Schmiedstätte eines Karabiners.
In den Produktionshallen durften wir den gesamten Produktionszyklus der DMM Produkte mitverfolgen.

Pünktlich zum Wochenstart finden wir uns nun in den Büroräumen von DMM in Llanberis ein. Es folgen Gespräche mit verschiedenen Mitarbeitern sowie Produktentwicklern, bevor wir uns das Herzstück der walisischen Handwerkskunst aus nächster Nähe anschauen: die Produktionshallen. Dort, wo aus Aluminiumrohlingen Karabiner, Sicherungsgeräte und Seilrollen geformt, gepresst und geschmiedet werden, mitsamt eigener CNC-Fräse sowie Inhouse-Qualitätskontrolle.

Die Produkte von DMM durchlaufen den gesamten Produktionszyklus hier an Ort und Stelle. Einzig die Eloxierung findet aus umweltschutzrechtlichen Gründen an einem separaten Standort statt. Ein wirklich faszinierender Einblick, den wir hier bekommen, immerhin handelt es sich bei all diesen Produkten um sicherheitsrelevantes Material. Zeug, dem wir unser Leben anvertrauen!

Peek a boo, Gepäck wo bist du!?

Die Inhouse-Qualitätskontrolle bei DMM.
Die Inhouse-Qualitätskontrolle.

Inzwischen am Flughafen Manchester: Unser Gepäck ist scheinbar auf dem Weg. Wie oder wo genau – die Antwort bleibt man uns schuldig. Also gehe ich meine einzige Unterhose kurzerhand im See waschen. Ob das so gut für die indigene Fauna ist? Ich wage es zu bezweifeln 😉 Da wir aber ohnehin den ganzen Tag auf Achse sind, macht es jetzt auch keinen großen Unterschied mehr, ob es noch ein T-Shirt zum Wechseln gibt oder nicht.

Vielmehr vermisse ich jedoch gescheite Zustiegsschuhe. Meine Sneaker sind zwar bequem, zum Wandern jedoch weniger geeignet. Denn am Nachmittag geht es zu den Idwall Slabs – ideales Gelände für einige richtig schöne Seillängen in gemäßigten Schwierigkeitsgraden (VD – HVS). Perfekt, um auch das Bauen verschiedener Standtypen mit mobilen Sicherungsgeräten zu üben. So vergehen die Stunden bis in den frühen Abend.

Erst das Donnern einer zweipropellerigen Royal Air Force Maschine lässt uns an den Horizont schielen, an welchem rasant und feuerrot die Dämmerung heraufzieht. Zeit für uns einzupacken und heimzufahren.

Mit eigens hergestellten Karabinern zur Rainbow Slab Area

In der Produktionshalle durften wir auch selber Karabiner herstellen.
Mit eigens hergestellten Karabinern ging es für uns danach sogleich an den Fels.

Der letzte Tag vor dem Abflug, von unserem Gepäck immer noch keine Spur, aber inzwischen ist es uns auch egal. Vormittags geht es nochmal zu DMM. Als besonderes Highlight dürfen wir uns heute unter den wachsamen Augen der Mitarbeiter pro Person ein halbes Dutzend Karabiner selbst zusammensetzen, inklusive offizieller Abnahme, Laser-Gravur und stichprobenartigen Tests der Bruchlastwerte. Schon beeindruckend unter welchen Kräften Karabiner und Schlingen zerbersten – und wie diese Werte durch äußere Einflüsse wie Alterung, UV-Strahlung sowie Korrosion herabgesetzt werden.

Auf jeden Fall geht es im Anschluss mit jeder Menge Vertrauen in unser neu erworbenes Material, na klar, erstmal ‘ne Runde klettern. Unser Ziel heute: Die Rainbow Slab Area. Dort angekommen zeigt ein markanter Riss im zentralen Wandteil den Weg nach oben. Mit „Bela Lugosi is Dead“ (E1 5b) klettern wir eine richtig schöne Vorzeigetour, in der von Cams und mittelgroßen Keilen, bis hin zu den richtig kleinen Brass Offsets wieder so ziemlich alles an Material gebraucht wird, das wir uns an die Gurte hängen können.

Trad Climbing in Action.
Die Bergfreunde Jan und Boris in “Bela Lugosi is Dead“ (E1 5b) – Trad ist definitiv anders, man braucht einen starken Kopf und gute Technik.

Spätestens jetzt sind alle von uns im Trad Fieber. Oder um es mit den Worten des Kletterführers zu sagen: „The Rainbow Slab itself is mostly old-school trad classics with minimal or no bolting giving run-out and technical routes requiring deft footwork, strong fingers and a very steady head“. Besser könnte man die großen Unterschiede zum klassischen Sportklettern, wie wir es hierzulande kennen, nicht umschreiben. So verlassen wir das Gebiet erst wieder mit dem Einbruch der Dunkelheit und gönnen uns zur Feier des Tages reichlich Guiness, Cider sowie Fish & Chips – so viel Zeit muss sein!

Wales, wir kommen wieder

Bevor nun unser Flug in Richtung Deutschland geht, testen wir noch schnell den einen oder anderen Boulder, um uns anschließend zu verabschieden und mit einem richtig dicken Dankeschön an Ben und DMM (nicht zuletzt für das ganze Leihmaterial) auf den Heimweg zu machen. So kümmern wir uns im Auto erstmal um unser bis dato verschollenes Gepäck, nur um mitgeteilt zu bekommen, dass sich dieses gerade eben per Kurier auf dem Weg nach Wales befindet. In diesem Sinne, Danke für nichts liebe Billigfluglinie aus Irland, dessen Namen ich hier lieber nicht nenne. Schließlich dauert es jetzt noch eine ganze weitere Woche, bis wir unsere geliebten Halbseile, Kletterschuhe sowie mehrere komplette Racks an Trad Gear wieder in Händen halten.

Zurück bleiben jedoch ausschließlich die positiven Erinnerungen und Eindrücke. So kann ich für das gesamte Team der mitgereisten Kolleginnen und Kollegen sprechen, wenn ich sage, dass es ein richtig gelungener Trip gewesen ist, der für die meisten von uns extrem lehrreich war. Wales, wir kommen definitiv wieder!

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Bergfreund Jan

2 Kommentare zum Artikel

  1. X 12. Februar 2019 18:15 Uhr

    Ein wirklich toller Tourenbericht und ich kann es nur bestätigen. Wales ist super und die Menschen ebenfalls!! Wie waren vom DAV Coburg im Mai 2018 in Wales unterwegs und haben ähnliche Erfahrungen gemacht. Auch wir kommen wieder!!

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