Was hat das Rudergerät bitte im Bergsport zu suchen? Bergfreunde trainieren doch nicht für die Oxford-Regatta! Sollen wir das Rudergerät vielleicht über die Berge schleppen, so wie es ein exzentrischer Brite 2019 am Montblanc versuchte?
Nein, nicht ganz. Wir sollen das Rudergerät nur aufstellen, uns auf dessen Schiene setzen und an dem vorne angebrachten Doppel-Griff ziehen. Eine Erklärung, wozu das sperrige Gerät gut ist, gibt es aber doch dazu, denn Vorbehalte sind bei so einer “Zweckentfremdung” eines Trainingsgeräts aus einer anderen Sportart verständlich.
Warum rudern?
Tatsächlich hat sich das Rudergerät bis zum (Ergänzungs)Training für Bergsportler ausgebreitet. Warum? Weil der gesamte Körper mit nur einer Übung trainiert wird. Er wird von Kopf bis Fuß gefordert, wobei vor allem Beine und Gesäß ein richtig gutes Workout abbekommen. Und das können wir schließlich auch beim Steigen in luftiger Höh’ gebrauchen. Auch die praktische Anwendung zu Hause und die leichte Erlernbarkeit der Methode sind Gründe für den Erfolg des Rudergeräts. Man kann also auch als wasserscheuer Bergfreund fernab von echten Bergen und Kletterfelsen den Körper durchaus am Rudergerät bergfit machen.
Natürlich hat auch das Rudertraining Grenzen, die sich nur mit spezifischerem Training überwinden lassen. So kann man beispielsweise das Tragen eines schweren Trekkingrucksacks oder das Klettern in Schrofen und Fels durch Rudern nicht gezielt trainieren. Deshalb ist und bleibt das Rudergerät für Bergsportler eine ergänzende Option, wenn auch eine durchaus Hilfreiche und Vielseitige.
Spezifische Vorteile
Bei der Ruderbewegung werden viele große Muskelgruppen gleichzeitig beansprucht, darunter Beine, Bauch, Rücken, Schultern, und Arme. Da sich der Widerstand der Rudergeräte anpassen lässt, kann das Ausdauertraining auch in Krafttraining verwandelt werden. Der Trainingsfokus kann dabei leichter und genauer zwischen Ausdauer und Kraft verschoben werden als mit einfachen Gewichten. Wichtig dabei ist, die korrekte Bewegungstechnik (s. u.) auszuführen und das Training in kleinen Schritten zu steigern. Ein eingestellter Widerstand von 3 – 5 bei den Geräten entspricht in etwa dem natürlichen Widerstand von Wasser.
Beim Rudern gibt es keine belastenden Stoß- und Aufprallkräfte wie beim Laufen. Außerdem werden bei hoher Intensität mehr Kalorien als beim Laufen oder intensiven Radfahren verbrannt. Das betonen auch professionelle Bike-Enthusiasten wie Welovecycling:
“Sowohl Outdoor- als auch Indoor-Rudern sind dagegen definitiv Ganzkörpertraining. Es erfordert den aktiven Einsatz der Arme, Schultern, des Rückens und des Bauches. Jeder Ruderschlag besteht aus etwa 60 % Unterkörper, 20 % Rumpf und 20 % Oberkörper. Das macht Rudern zu einem komplexeren Training und es ist viel besser geeignet, um einen gesunden Bewegungsumfang zu erhalten.”
Hinzu kommt, dass durch die kleinen aber vielseitigen Variationen der Grundbewegung Einseitigkeiten und Ungleichgewichte ebenso vermieden werden wie Muskelverkürzungen. Man hat hier also mit nur einer Bewegungsfolge ein ganzheitliches Training, das sämtliche Gelenke und Muskelgruppen inklusive des kompletten Rumpfs wohldosiert ansprechen kann. Auch fühlt sich der Bewegungslablauf am Gerät so natürlich an wie Schwimmen oder Radfahren, wenn er einmal “sitzt”. Dann stehen schnellen und motivierenden Trainingserfolgen keine Hindernisse mehr im Weg.
Die korrekte Bewegungstechnik
Am Rudergerät wird die Bewegung beim rückwärts Sitzen in einem offenen Boot mit zwei Seitenrudern imitiert – mit dem zu vernachlässigenden Unterschied, dass die Hände beim Training am Gerät den horizontalen Griff immer in der gleichen Stellung festhalten.
Der volle Trainingserfolg ohne Haltungs- und Überlastungsschäden stellt sich wie gesagt nur bei korrekt durchgeführtem Bewegungsablauf ein. Der ist relativ einfach und schnell erlernbar, wie folgende Beschreibung in 7 Schritten zeigt (es mag einzeln beschrieben zunächst kompliziert klingen, wird sich aber als einfach erweisen, weil der Körper viele Abläufe ohnehin automatisch korrekt ausführt):
1. Sitz- und Greifposition einnehmen
Setze Dich auf den Sitz des Rudergeräts und stelle sicher, dass die Füße fest auf den Fußstützen angeschnallt sind. Die Knie sollten leicht gebeugt und der Oberkörper aufrecht sein. Greife den Griff mit beiden Händen so, dass die Hände etwa schulterbreit auseinander und die Handgelenke gerade sind.
2. Startposition einnehmen
Strecke die Arme vollständig aus und lehne Dich leicht nach vorne. Die Beine sollten gestreckt und der Körper leicht nach vorne geneigt sein.
3. Beinbewegung
Drücke mit den Beinen gegen die Fußstützen, um den Körper nach hinten zu schieben. Die Knie sollten dabei leicht gebeugt bleiben.
4. Oberkörperbewegung
Sobald die Beine gestreckt sind, lehne Dich mit dem Oberkörper leicht nach hinten. Die Arme sollten dabei noch gestreckt sein.
5. Armzug
Ziehe den Griff mit den Armen zum Körper hin. Die Ellbogen sollten dabei nah am Körper bleiben und nach hinten zeigen.
6. Endposition
Wenn der Griff den Körper an der Brust berührt hat, halte die Position für einen kurzen Moment und lasse dann den Griff langsam zurück in die Ausgangsposition gleiten.
7. Rückkehr zur Startposition
Strecke zuerst die Arme aus, dann lehne Dich mit dem Oberkörper nach vorne und beuge die Beine, um zurück zur Startposition zu gelangen.
Wiederhole 1. bis 7. in einem fließenden und kontrollierten Rhythmus. Achte darauf, dass Du den Körper während der gesamten Bewegung stabil hältst und Deine Bauchmuskeln aktivierst, um eine gute Körperhaltung beizubehalten.
Wichtige Begriffe
Eine ähnliche Beschreibung des Bewegungsablaufs mit Abbildungen der jeweils angesteuerten Muskelgruppen findet sich auf rudergeraete-tests.com. Es gibt selbstverständlich auch zahllose Youtube-Videos mit dieser Anleitung sowie noch weitaus detailliertere Beschreibungen, die sich über mehrere Seiten erstrecken. Bei diesen stößt man hier und da auf Jargon bzw. Fachbegriffe, von denen folgend kurz diejenigen erklärt werden, die auch am Rudergerät relevant sind:
- Einfangen: Der Anfang des Schlags, bei dem das Ruderblatt ins Wasser gesetzt wird.
- Auslage: Der Moment, in dem die Ruderblätter ins Wasser tauchen.
- Druckphase: Die Phase, in der die Ruderer mit Beinen und Oberkörper Druck auf die Ruderblätter ausüben, um das Boot voranzutreiben.
- Zugphase: Die Phase des Schlags, bei der der Ruderer gegen die Fußstütze drückt und dabei seine Beine, seinen Rücken und seine Arme einsetzt, um das Boot voranzutreiben.
- Auszug/Endzug: Der letzte Teil des Schlags, bei dem man das Ruderblatt aus dem Wasser nimmt.
- Loslassen: Der Moment, in dem man den Antrieb beendet und den Druck auf den Rudergriff löst.
- Erholung/Rückholphase: Die Phase zwischen Auszug und Einfangen, bei der man das Ruderblatt zurück in die Einfangposition bewegt und den Sitz dabei nach vorne schiebt.
- Vorrollen: Die Bewegung, bei der man den Oberkörper nach vorne rollt, um das Ruder zurück ins Wasser zu bringen.
- Verhältnis: Das Verhältnis zwischen Antriebszeit und Erholungszeit. Ein höheres Verhältnis deutet auf eine längere Antriebsphase im Verhältnis zur Erholungsphase hin.
- Rhythmus: Der gleichmäßige und koordinierte Fluss des Ruderschlags, der ein konstantes Tempo und Timing mit dem Rest der Mannschaft aufrechterhält.
- Schlagzahl: Die Anzahl der Ruderschläge pro Minute.
Aufbau des Rudergeräts
Ein Rudergerät besteht aus folgenden Komponenten:
1. Der Rahmen bildet das Grundgerüst des Rudergeräts und sorgt für Stabilität und Haltbarkeit.
2. Der Sitz ist auf einer Schiene montiert und ermöglicht es, sich während des Ruderns vor- und zurückzubewegen. Rollen sorgen dafür, dass der Sitz auf der Schiene gleitet. Bei der Schiene müssen groß gewachsene Sportler auf ausreichende Länge achten.
3. Die Griffstange ist mit einem Seil verbunden und dient dazu, die Ruderbewegung auszuführen.
4. Das Widerstandssystem erzeugt den Widerstand, gegen den beim Rudern gearbeitet wird. Gängige Arten von Widerstandssystemen sind Luft-, Wasser- und Magnetwiderstand.
5. Die Fußstützen sind verstellbar und sorgen dafür, dass die Füße während des Ruderns rutschfest fixiert sind.
6. Die Anzeigekonsole kann Informationen wie Zeit, Strecke, Geschwindigkeit, Kalorienverbrauch und Puls anzeigen. Je nach Modell kann sie auch ein größerer Bildschirm sein und über diverse Trainingsprogramme und Einstellmöglichkeiten verfügen. Konnektivität und Kompatibilität mit digitalen Inhalten und Apps gehören mittlerweile ebenfalls zum Standard. Mit Apps wie Kinomap kann man beim Training interaktive, mit Helmkamera gefilmte Videos auf dem Bildschirm laufen lassen und so das zurücklegen von echten Ruderstrecken simulieren.
7. Gute Rudergeräte verfügen über Verstellmöglichkeiten für die Sitzposition, den Widerstand oder andere Parameter.
Welche Arten von Geräten gibt es?
Die Arten von Rudergeräten unterscheiden sich hauptsächlich durch ihr Widerstandssystem, von denen die gängigen eben genannt wurden. Beim Luftwiderstand verwendet das Rudergerät einen Ventilator, der durch die Ruderbewegung Luftwiderstand erzeugt. Je schneller und stärker gerudert wird, desto größer ist der Widerstand.
Beim Wasserwiderstand befindet sich ein Wassertank am vorderen Ende des Geräts. Der Widerstand wird durch das Eintauchen von Rotorblättern erzeugt. Ähnlich wie beim Luftwiderstand steigt der Widerstand mit zunehmender Intensität des Ruderns. Geräte mit Wasserwiderstand kommen dem Gefühl des echten Ruderns am nächsten.
Rudergeräte mit Magnetwiderstand verwenden Magnete, um den Widerstand zu erzeugen. Durch die Veränderung der Magnetstärke kann der Widerstand angepasst werden. Diese Art von Rudergerät ist oft sehr leise und ermöglicht eine präzise Einstellung des Widerstands.
Bei einem Rudergerät mit Hydraulikwiderstand wird der Widerstand durch hydraulische Zylinder erzeugt. Durch das Ziehen der Griffstange wird Öl oder Luft in den Zylindern komprimiert, was den Widerstand erhöht. Auch hier kann der Widerstand durch Anpassung der Einstellungen variiert werden.
Jede dieser Arten hat spezifische Vor- und Nachteile. Die Wahl des richtigen Geräts hängt von den individuellen Bedürfnissen, dem Budget und den Trainingszielen ab.
Digitale Ruderwelten
Mittlerweile ist die digitale Ausstattung und Kompatibilität, die sich je nach Gerätemodell, Widerstandsart und bevorzugten (interaktiven) Apps unterscheidet, vom Nice-to-have und Drumherum zum Grundbedürfnis geworden. So kommt auch das Rudergerät nicht mehr ohne Flatscreens aus, die neben schönen Aufnahmen von echter Ruderei in echten Gewässern jede Menge Zahlen und Grafiken zeigen. Diese sind dank digitaler Tools wie Kinomap und EXR interaktiv und in Echtzeit mit dem eigenen Training abstimmbar. Von der Schlagfrequenz und -Intensität über Zeiten und Geschwindigkeiten bis zu virtuellen Tracks kann alles lückenlos erfasst, aufgezeichnet und statistisch aufbereitet werden.
Welche guten Rudergeräte sind auf dem deutschen Markt erhältlich?
Es gibt viele Rudergeräte auf dem deutschen Markt, die für Qualität und Leistung bekannt sind. Hochwertige Maschinen laufen leise und sind weniger raumgreifend, sperrig und schwer, als Nichtruderer sich das vorstellen. Kompakte Geräte lassen sich sogar in einem normalen Kleiderschrank verstauen.
Ein Beispiel für ein sehr hochwertiges Gerät mit renommierter ISPO-Auszeichnung ist das Modell Aqua Stream vom Hersteller Cardiostrong. Weitere Beispiele sind das Modell D vom Hersteller Concept2, die Modellreihe Coach von Kettler oder das SP-MR-008 von SportPlus als erschwingliche Option mit klappbarem Design bei solider Konstruktion.
Die ideale Wahl hängt von persönlichen Vorlieben, Trainingszielen und dem Budget ab. Natürlich muss sich niemand gleich ein Rudergerät kaufen, sondern man kann dieses effektive und anregende Training auch erst einmal im Fitnessstudio ausprobieren. Wer sofort am eigenen Rudergerät loslegen will, sollte sich einen Trainingsplan machen, der auf den eigenen Fitness- und Erfahrungsstand sowie das Trainingsziel abgestimmt ist. Ein erfahrener Ruderer, der Kraft zulegen will, arbeitet einen anderen Plan ab als ein Anfänger, der Kondition aufbauen will.
Trainingsplan
Der Trainingsplan ist kein Hexenwerk für Profis, sondern gerade für Anfänger eine große Hilfe für kontinuierliches Dranbleiben und Zielerreichung. Das Ziel kann mehr Kondition, mehr Kraft, mehr Schnelligkeit oder besseres Wohlbefinden sein – oder eine Mischung aus Allem. Mit einem Trainingsplan lässt sich Effizienz und Systematik in den Weg dahin bringen. Außerdem kann man den Erfolg dank der genauen Zielvorgabe des Trainingsplans messen.
Beim Rudertraining variiert der Plan im Grunde nur die vier “Stellschrauben” Länge der Trainingseinheit, Trainingshäufigkeit pro Woche, Zahl der Ruderschläge pro Minute und Widerstand des Geräts. Allein schon wenn Du Dir die Länge der Trainingseinheiten und deren Häufigkeit halbwegs passend zu Deinem Alltag vorgibst, hast Du einen Trainingsplan, der zwar sehr simpel, aber immer noch effektiver als planloses Drauflostrainieren ist. Anfänger sollten nicht öfter als zwei- bis dreimal pro Woche und nicht viel länger als 40 Minuten am Rudergerät trainieren. Wichtig ist, dass Du am Ball bleibst und nicht schon nach zwei Monaten wieder aufgibst.
Für den Anfang ist es besser, den Ehrgeiz im Zaum zu halten und die Ziele nicht zu hoch zu stecken. Zu lockere Stellschrauben kann man später immer noch jederzeit fester drehen, während der umgekehrte Fall schwieriger zu lösen ist und häufig zu Frustration und vorzeitiger Aufgabe führt.
Beispielhafte, sich wöchentlich leicht steigernde Trainingspläne für Anfänger, die weitere wichtige Detail- und Hintergrundinfos enthalten, findest Du hier und hier.
Viel Spaß dabei!
1 Kommentar zum Artikel
Das oben ausgewählte Stock-Photo der zwei Personen beim Rudern ist ganz grausig, weil ganz falsch - Schultern, Neigung, Knie...:) Der Artikel ist da besser