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Eisgeräte schärfen: Grundlagen und Feinheiten

Inhaltsverzeichnis

Wenn der Winter naht, haben die schärfsten Kaliber im Ausrüstungsensemble ihren Auftritt: die Eisgeräte, auch bekannt als Eisbeile, Eisäxte oder neudenglisch Eis-Tools. Sie sind die martialischen Brüder der Eispickel und benötigen aufgrund ihres deutlich härteren Einsatzgebietes mehr Pflege und Aufmerksamkeit. Denn bei Vernachlässigung stumpfen sie ab, gehorchen nicht mehr richtig und bringen ihre Besitzer womöglich noch in Gefahr. Die Spitzen ihrer Hauen prallen ab oder sprengen das Eis weg anstatt es zu durchdringen. Die Zähne an den Unterseiten rutschen anstatt zu beißen. Und wenn sie dann einmal fest im Eis stecken, lassen sie sich wegen der stumpfen Hauenoberseiten kaum noch herausziehen. Jetzt ist es höchste Zeit nachzuschärfen.

Einspannen/Fixieren:

Viele Anleitungen scheinen davon auszugehen, dass Eisgerätebesitzer automatisch über einen Hobbykeller oder eine Garage mit gut sortierter Werkstatt verfügen. Dann hat man beim Bearbeiten der Bergausrüstung natürlich keine Probleme mit all den schönen vorgeschlagenen Möglichkeiten.

Doch was wenn nicht? Nun, dann kann man trotzdem mitspielen im Konzert der Feiler und Schleifer. Denn das Einspannen oder anderweitige Festhalten der Haue kann man auch ohne Schraubstock und professionelle Arbeitsplatte bewerkstelligen. Selbst dann, wenn sich als zusätzliche Erschwernis die Haue nicht vom Schaft trennen lässt. Ob man sie dann zwischen Möbeln einklemmt, mit Gewichten beschwert oder mit Klebeband fixiert – man muss nur ein wenig kreativ werden und folgende Punkte beachten:

  • Die Fixierung sollte direkt an der Haue oder möglichst nah an ihr erfolgen. Der Schaft sollte möglichst nicht eingespannt werden, da er durch zu viel Druck beschädigt werden könnte. Außerdem können so beim Feilen schädliche Querbelastungen zwischen Haue und Schaft auftreten.
  • Die Haue sollte generell nicht quer zum Schaft belastet werden (sonst sind Beschädigungen möglich, die auf Dauer zum Bruch führen können)
  • Die Fixierung muss fest genug sein, dass beim Feilen keine Vibrationen durch das Eisgerät gehen

Noch ein Hinweis zum späteren Zusammenbau des Eisgeräts: Gibt der Hersteller ein vorgeschriebenes Anzugsdrehmoment an der Schrauben an, ist dieses zu überprüfen (bzw. beim Montieren einzuhalten). Schrauben sollten nicht geölt werden, um ein Lockern während des Einsatzes zu reduzieren.

Die Feile

Ist die Haue mehr oder weniger fachmännisch fixiert, nimmt man das Arbeitsgerät in die Hand. Das ist idealerweise eine Bastardfeile in Form einer Flachfeile mit Kreuzmuster (Kreuzhieb) auf dem Feilenblatt. Das Kreuzmuster schleift das Metall in jeder Bewegungsrichtung, sodass man sehr effizient arbeiten kann.

Für den Feinschliff kann man ggf. noch mit einer feineren Flachfeile nacharbeiten. Für die „Zahnzwischenräume“ auf der Unterseite samt der konkaven Wölbung zur Hauenspitze hin benötigt man zusätzlich eine Rundfeile. Wer hier eine Two-in-One Lösung sucht, kann unter dem Suchbegriff Mühlsägenfeile vereinzelt fündig werden. Hier handelt es sich (allerdings nicht immer!) um Flachfeilen mit einer abgerundeten Kante, welche ebenfalls einen Hieb hat. Die Kante fungiert hier als Rundfeile.

WICHTIG: Das Nachschleifen darf nur mit einer Feile erfolgen. Schleifmaschinen mit hohen Drehzahlen erhitzen den Stahl und machen ihn weich. Das Nachschleifen sollte nicht über die vom Her­steller angegebene Verschleißgrenze hinaus erfolgen.

Das Kind nicht schaukeln: die Feilbewegungen

Eigentlich der wichtigste Aspekt des Ganzen, erstaunlicherweise aber umso seltener konkret beschrieben: wie bewege ich die Feile eigentlich genau? Nun, es ist denkbar einfach, aber auch nicht so selbsterklärend, dass man es weglassen könnte:

Die Feile wird senkrecht zu der Kante, die zugeschärft werden soll, vor und zurück bewegt – und zwar nicht bogenförmig, sondern gerade, da das Material ja nicht ausgehöhlt oder anderweitig in der Form verändert werden soll. Dadurch würde man auf Dauer nicht nur die Bruchfestigkeit der Haue gefährden, sondern sich auch unnötige Kosten durch vorzeitig nötige Neuanschaffungen bescheren. Wir schaukeln das Kind also nicht, sondern schieben und ziehen es hin und her. Etwas mehr Druck beim „Schieben“ des Kindes, pardon der Feile zur Kante hin erleichtert deren scharfe Herausbildung. Die Bewegungen werden rhythmisch und ohne Hektik ausgeführt, so dass jede Einzelne konzentriert und kontrolliert vonstatten geht.

Präzision und dosierte Kraft

Je schlechter die Fixierung, desto schwieriger wird es, präzise die regelmäßigen Schleifbewegungen auszuführen. Wenn man das Eisgerät beispielsweise auf den Knien liegen hat und mit einer Hand festhält, ist es kaum möglich, mit der anderen Hand die gleiche Richtung mit genügend Druck beizubehalten und ein sauberes Ergebnis zu bekommen. Andererseits wird auch nicht übermäßig viel Kraft benötigt, eine schwere Handfeile nimmt allein durch ihr Gewicht schon einiges an Arbeit ab.

Dazu dann noch die Kraft der Bewegungen aus der Schulter, die Präzision aus dem Handgelenk und den Fingern und fertig ist die richtige Mischung. Dosierte Kraft bedeutet auch, dass man nicht übers Ziel hinausschießt und zu viel abschleift. Schließlich lassen sich die einmal abgeschliffenen Metallspäne nicht wieder ankleben …

Bildende Kunst: Wie soll das Ergebnis aussehen?

Eisgeräte schärfen - Schritt für Schritt Anleitung
Vorne sieht man das frisch geschärfte Stück!

Wir wollen die Spitze der Haue so bearbeiten, dass sie auch nach längerem Gebrauch beim Eisklettern möglichst gut ins harte Eis dringt. Und anschließend in ihrer Position bleibt, bis wir sie möglichst kraftsparend wieder heraus ziehen, um den nächsten Schlag zu setzen. Wenn man nicht gerade Bergsportprofi ist, lautet die erste Grundregel dazu folgendermaßen: die vom Hersteller vorgegebene Form der Haue wird nicht verändert!

Es kann und soll zwar nachgeschärft werden, doch alle Winkel und Proportionen sollten so bleiben, wie vom Hersteller vorgesehen. Es gibt zwar gewisse „Tunings“ bei denen der Winkel der Hauenspitze oder die Form der Zähne verändert werden, doch Derartiges sollte man Jenen überlassen, die eine Anleitung wie diese hier nicht brauchen. Obwohl die Formvorgabe also im Prinzip supersimpel ist, sollte man dennoch auch wissen, warum die Haue so und nicht anders geformt ist.

Die richtige Form der Haue

Dazu muss man verstehen, was ihre einzelnen Teile – die Spitze, die unteren Zähne und die Oberkante – beim Höherklettern machen:

Die Spitze geht voran

Eisgeräte schärfen - Schritt für Schritt Anleitung
Die Spitze dringt – oh, Wunder – zuerst ins Eis ein.

Spitzen müssen in das Eis eindringen und sollen dabei möglichst wenig davon verdrängen. Am besten dringt eine scharfe, dünne, gut abgeschrägte Spitze des Eisgeräts ein. Je besser eine solch schmale Hauenspitze ins Eis dringt, desto leichter bricht sie allerdings auch. Deshalb auch die Feil-Grundregel: „So viel wie nötig, so wenig wie möglich!“

Beim Schärfen der Spitze wird die vordere Oberkante an ihren beiden Seiten gleichmäßig mit den oben beschriebenen Bewegungen so lange gefeilt, bis der glänzende Stahl hervor scheint und die Seiten sich in einem messerscharfen Grat treffen. Der Winkel dieses Grats ist an der Spitze der Gleiche wie an der dahinter folgenden Oberseite der Haue.

Die untere Kante der Spitze, die zu den Zähnen der Haue führt, wird zu einer glatten, konkaven Fläche zum ersten Zahn hin zugefeilt (von unten gesehen bildet diese sehr kleine Fläche ein spitz zulaufendes Dreieck). Hierbei sollte die Rundfeile die Flachfeile ergänzen oder ggf. ersetzen. Durch gleichmäßiges Abfeilen werden Veränderungen der vom Hersteller vorgegebenen Rundungen und Formen vermieden.

Die Zähne halten fest

Eisgeräte schärfen - Schritt für Schritt Anleitung
Die Zähne sind für den Halt im Eis verantwortlich. 

Die geriffelten “Zähne” an der Unterseite der Haue tragen dazu bei, das Eisgerät in Position zu halten und am überraschenden Herausrutschen zu hindern. Beißen die Zähne allerdings zu hart, wird es mühsam, sie wieder aus dem Eis heraus zu bekommen. Deshalb sollten sie nicht um jeden Preis so scharf wie möglich gefeilt werden, sondern nur so, dass sie einen guten Kompromiss zwischen Sicherheit und Handling bieten. Das richtige Maß pendelt sich hier in der Regel erst mit einiger Erfahrung in der Nutzung des Eisgeräts ein. Man wird zu Beginn eher auf die (psychologische) Sicherheit bedacht sein, während später das „flüssige“ Handling an Bedeutung gewinnt.

Der vorderste Zahn ist von der Seite der Haue betrachtet eine leicht rundlich zulaufende, sehr scharfe Spitze, während die folgenden Zähne wie nach unten gerichtete Trapeze aussehen. Die „Zahnlücken“ sind rund und haben auch rund zu bleiben (idealerweise mit der Rundfeile), da sonst Bruchgefahr besteht. Von vorn betrachtet sind alle Zähne bis auf den Vordersten nach unten hin so zugefeilt, dass die Spitze nicht einen perfekten Grat, sondern eine sehr schmale Fläche bildet.

Die Oberkante muss flutschen

Eisgeräte schärfen - Schritt für Schritt Anleitung
Mit einer gut geschärften Oberseite lässt sich das Eisgerät leicht wieder entfernen.

Wenn alles super läuft, holt man das Eisgerät mit einem leichten Zug am Schaft aus dem „Placement“ heraus. Oft sitzt das Gerät aber tiefer, bzw. fester und erfordert eine gewisse Vor- und zurück-Ruckelei am Griff. Das Handling ist hier umso leichter, je schärfer die abgeschrägte Kante auf der Oberseite der Haue ist. Die Oberseite braucht dafür nur auf die gleiche Weise wie die Spitze der Haue zugefeilt werden – allerdings auch hier ohne den Winkel der einander zulaufenden Flächen zu verändern! Man braucht im Grunde nur wenige Zentimeter der Oberseite zu schärfen, da das Eisgerät fast nie tiefer ins (feste) Eis eindringt.

Nachbehandlung

In unserem Überblicksartikel zum Schleifen von metallener Bergfreunde-Ausrüstung wurde es schon erwähnt: Egal wo und wie viel man geschliffen hat, zum Schluss empfiehlt es sich, den gesamten Kopf bzw. die gesamte Haue noch zu polieren. Dafür eignet sich eine Drahtbürste, oder, etwas feiner, Schleifpapier mit einer Körnung von 120 bis 180. Dass die Haue dann wie neu glänzt,  hat nicht nur einen optischen Effekt, sondern trägt auch dazu bei, dass die Eisgeräte besser ins Eis gleiten und länger scharf bleiben. Deshalb sollten auch kleinere Fehler und Unebenheiten mit Schleifpapier nachgearbeitet bzw. -poliert werden. Weitere Polier-Möglichkeiten wären Opas alter Ledergürtel, oder das Wattepad mit etwas Chrompolitur.

Das richtige und gründliche Schärfen hat auch einen langfristigen Vorteil: sobald man einmal die perfekte Form der Haue zusammengefeilt hat, braucht man das Eisgerät vor jedem weiteren Ausflug ins Steileis lediglich mit ein paar Anschlägen der Feile nachzubessern.

Zuletzt aktualisiert: 10.07.2023

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Bergfreund Stephan

“Flat is boring”, dachte ich mir als Kind des Flachlands immer. Bergsport war die Lösung des Problems. Aber nicht aller Probleme, wie ich beim Durchwursteln der Disziplinen von Bouldern bis Hochtouren herausfand. “Egal”, dachte ich mir und fühle mich heute bei alpinen Touren mit leichtem Gepäck sauwohl.

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