zur Bergführereignungsfeststellungsprüfung
Hochtouren gehören zu den anspruchsvollsten Dingen, die man in den Bergen machen kann. Aber eignen sie sich auch als Vorbereitung für die Bergführereignungsfeststellungsprüfung?
Chamonix am Montagmorgen. Wir stehen vor der Bahn zur Aiguille du Midi, alle schon ein wenig aufgeregt vor den bevorstehenden Prüfungen. Als es 7 Uhr 10 ist steige ich in die Seilbahn ein, im Rucksack Steigeisen, Eisschrauben, Seile, Eispickel …
Beim Blick auf die gewaltigen Hängegletscher muss ich unweigerlich an die vergangenen Wochen zurückdenken … und warum ich jetzt hier bin …
Traumberuf Bergführer
Draußen arbeiten, am Berg … jeden Arbeitstag die grandiose Schönheit des alpinen Geländes genießen. Und dabei anderen immer aufs Neue ein unbezahlbares Erlebnis ermöglichen. Das klingt nach einem Traumberuf – Nein, einer Berufung. Bergführer!
Die Motivation das zu erreichen ist hoch. Doch was steckt eigentlich dahinter? Neben Skifahren und Eis- und Felsklettern gibt es für diese Berufsgruppe im Bergsport ein Kerngeschäft: Das Hochtouren.
Und dabei ist diese Disziplin nicht nur die häufigste Tourenart eines Bergführers, sondern auch der umfangreichste Stil des Bergsteigens. Deshalb ist der Fokus bei der Eignungsfeststellungsprüfung zur Bergführerausbildung hierauf besonders hoch. Da will man gut vorbereitet sein!
Anforderungen der Bergführerprüfung
Die Vielseitigkeit des Hochtourens erstreckt sich von der Fortbewegung auf Steigeisen über Felsklettern sowie über Orientierung und Routenwahl auf vergletschertem Gelände bis hin zur Sicherheit.
Das Gehen auf Steigeisen im Eis bezieht sich auf die Frontalzackentechnik aus dem klassischen Eisklettern und die Vertikalzackentechnik (auch Eckensteintechnik genannt). Die Vertikalzackentechnik ist eine hohe Kunst, die von Bergführern für bestimmt Führungstechniken eingesetzt wird.
Felsklettern in der Höhe kann je nach Wetter und Verhältnissen auch mal zu Mixedklettern werden, also Steigeisentechnik am Fels einfordern. Klettern schließt selbstverständlich den Standplatzbau und das Anbringen von Zwischensicherungen im kombinierten Gelände ein.
Gutes Seilhandling ist sowohl hier als auch auf dem Gletscher wichtig, wobei es bei letzterem schon etwas spezieller wird. Eine gute Orientierung und Routenwahl auf vergletschertem Gelände ist nämlich Voraussetzung um vorausschauend zu handeln und dementsprechend das Seil vorzubereiten.
Letztendlich müssen all diese Dinge gut zusammenspielen, damit der Bergführer als Sicherheitsbeauftragter am Berg die Sicherheit für seine Gäste gewährleisten kann. Perfektes Training also für die Bergführereignungsfeststellungsprüfung.
Ausrüstung
Da Hochtouren so umfangreich sind, ist natürlich auch die Packliste sehr lang.
Eine einfache Gletscherbegehung fordert:
- Lange, robuste Hose
- Langärmliges Oberteil + Hardshelljacke (+ Isolierende Jacke)
- Handschuhe
- Helm
- Sonnenbrille
- Sonnencreme
- Steigeisentaugliche Bergstiefel
- Steigeisen
- Pickel
- Gurt
- Save Lock-Karabiner
- Equipment für Spaltenbergung (Eisschraube, zwei Blockiergeräte wie einen T-Bloc oder eine Seilrolle mit Rücklaufsperre, vier Karabiner, 120 cm Bandschlinge, 4 m Reep Schnur)
- Halbseil (40 bis 60 m)
Mit steilerem Gelände oder Klettergelände kommen unter Umständen dazu:
- Schlingen und Karabiner für Standplatzbau
- Cams
- Expressschlingen
- Keile
- Sonstige mobile Sicherungsmittel für den Fels
- Mehrere Eisschrauben unterschiedlicher Länge
- Ein zweites Halbseil
Steigeisentechnik – Vertikalzackentechnik, Frontalzackentechnik, Steigeisen im Fels
Das A und O einer soliden Fortbewegungsform im vergletscherten Hochgebirge ist eine saubere Steigeisentechnik. Deshalb ging es als erste Vorbereitungstour auf eine Gletscherzunge mit aperen Spalten, die unterschiedliche Steilheit für Übungseinheiten bot.
Die Vertikalzackentechnik beschreibt schon durch den Namen wie die Steigeisen eingesetzt werden. Hier liegt der Fuß eben auf der Eisoberfläche auf und auch wenn es unglaubwürdig klingt, es können fast alle Steilheiten bewältigt werden.
Natürlich mit Hilfe des Eispickels. Dieser wird, je nach Steilheit als Geländerpickel, Seitstützpickel, Rückhand- oder Vorhandpickel oder einfach als Spazierstockpickel eingesetzt.
Die Frontalzackentechnik ist die technisch weniger spektakuläre Technik, zumindest für mich als Eiskletterer. Die Technik ist angenehm bei steiler werdendem Gelände und auch deutlich einfacher. Bei dieser Technik werden die Frontalzacken ins Eis geschlagen, die Ferse wird abgesenkt und der andere Fuß steigt weiter. Der Pickel wird wie ein Eisgerät als dritter Punkt oberhalb ins Eis geschlagen.
Das Gehen mit Steigeisen im Fels unterscheidet sich von der Fußposition kaum zum Gehen im Eis – natürlich wird hier nicht geschlagen. Wichtig ist, dass lastfrei und statisch angetreten wird, damit die Zacken nicht beschädigt werden. Das heißt das Steigeisen wird je nach Steilheit und Felsstruktur in Frontalzackentechnik oder flächig in Vertikalzackentechnik positioniert und erst anschließend belastet.
Auf nicht zu steilen Platten werden die Vertikalzacken positioniert, an Leisten bietet sich die Frontalzackentechnik an.
Durchwegs spielt die Lage des Schwerpunktes eine große Rolle. Allgemein im Bergsport darf dieser nicht zu weit hinten (bergseitig) liegen um ein Abrutschen Richtung Tal zu vermeiden. Genauso ist es auch hier auf Steigeisen.
Gehen auf dem Gletscher – Einfache Vorbereitungshochtour
Als Vorbereitungstour für die einfache Begehung eines Gletschers an einem wenig steilen Berg fiel die Wahl auf die Weissmies im Saastal, ein seitlicher Ableger des Wallis. Der Großteil der Besteigung dieses 4000ers führt über einen mäßig steilen, aber spaltigen Gletscher.
Hier ist eine sinnvolle Routenwahl wichtig – trainieren konnte ich also Orientierung auf dem Gletscher und Sicherheit. Ich wählte den Anstieg mit Steigeisen über die vergletscherte Nordwestflanke hinauf, mit meinen Tourenpartnern am Seil eingebunden.
Vorausschauende Wegplanung war hier essenziell um nicht in eine Sackgasse von Gletscherspalten umrandet zu laufen. Gar nicht so einfach, wenn die Spalten nur zum Teil offen und kaum sichtbar sind. In diesem Fall ist es besonders wichtig gut auf eine eventuelle Spaltenbergung vorbereitet zu sein, falls eine Schneebrücke einbricht.
Was immer wieder mit dem steiler und flacher werdendem Gelände zum Thema wurde, war die Absturzgefahr. Sollte einer in der Seilschaft stürzen, so könnte er die gesamte Seilschaft mit in den Abgrund reißen – fatal! So war ich hier schon gefordert mir eingehend Gedanken über mein Vorgehen zu machen.
Die Ansage an die Seilschaft war mit Stützpickel zugehen – bergseitig – um bei einem eventuellen Sturz die Pickelbremstechnik einsetzen zu können. In steilem Gelände wo ein Sturz augenblicklich zu schnellem abrutschen führen kann, war es nötig eine oder zwei Eisschrauben mit Expressschlinge zu setzen, die klettersteigähnlich durch die Seilschaft umgeklippt und vom Letzten eingesammelt wurden.
Ein Sturz auf blankem Gletschereis ist mit einem Motoradsturz vergleichbar und es kann gefühlt die Geschwindigkeit des freien Falls erreicht werden. Beim Überqueren von Spalten war eine gute Kommunikation zum Seilschaftszweiten wichtig, damit wenig Schlappseil durchhängt um einen Spaltensturz möglichst frühzeitig abzufangen. So wird ein tiefer Spaltensturz schon präventiv vermieden.
Der Aufstieg zog sich in diesem Stil bis zum Gipfel dahin und nach erfolgreicher Gletscherüberquerung konnten wir uns gratulieren. Doch der Aufstieg ist nur die halbe Miete. Der Abstieg forderte nochmal exakt dasselbe Spiel. Man könnte auch sagen, doppeltes Training.
Damit war der erste Teil der Vorbereitung zur Bergführereignungsfeststellungsprüfung geschafft.
Steiles Hochtourengelände – Anspruchsvolle Vorbereitungshochtour
Nun stand noch eine steile Hochtour zu Vorbereitung auf die Bergführerprüfung aus. Da viel mir die Auswahl einer Tour sehr leicht. Die Kingline, die es werden sollte stand schon seit vielen Jahren auf der Liste meiner Tourenträume. Eine sehr ästhetische Linie. Ein sehr eindrucksvoller Berg. Eine rundum fordernde Tour. Der Bumillerpfeiler am Piz Palü!
Die Anforderungen dieser Tour sind sehr umfangreich: neben der üblichen Orientierung standen uns Klettern im steilen Eis, Fels und kombinierten Gelände bevor. Darüber hinaus erstreckt sich allein die Kletterei am Pfeiler über 800 Höhenmeter.
Und auch die objektiven Gefahren kommen (leider) nicht zu kurz. Über dem Pfeiler hängt ein Eisbruch – auch Sérac genannt – der dauernd droht abzubrechen und in dessen Schusslinie sich der Einstiegsbereich befindet. Hier war eine gute Taktik nötig, um diese Gefahr so weit wie möglich zu minimieren. Das war die perfekte Trainingstour für die Eignungsfeststellungsprüfung. Was ich hier trainieren konnte, war im Grunde alles.
Nach einer Nacht im Biwak in der Nähe der Diavolezza ging es in der Dämmerung los über den flachen Morteratschgletscher hin zum Wandfuß. Schon hier besprachen wir uns über die Einstiegslinie. Um den Lawinenkegel des Eisbruches zu umgehen, wählten wir kombiniertes Gelände, wo gleich zu Beginn Sichern mit Eisschrauben nötig wurde.
Und so ging es weiter, über steile Eisflanken. Hindurch zwischen überhängenden Eistürmen. Und über Felsstufen bis hinauf auf eine Gratschneide. Frontalzackentechnik, Querung im steilen Eis, Klettern mit Steigeisen und die Absicherung des Geländes. Das war Training vieler Methoden. Perfekt als Prüfungsvorbereitung.
Von der Gratschneide weg stand uns der Felskletterteil der Tour bevor. Vorerst kein außergewöhnliches Hochtourengelände, da der Fels trocken und eisfrei war. Zum Ende der Passage machte sich das hochalpine Gelände aber nochmal in ganzem Umfang bemerkbar.
Innerhalb einer Seillänge kletterte ich von trocknem in schneedurchsetzten und dann eisdurchzogenen Fels. Also kombiniertes Gelände. Und fand mich am Ende an einem Stand aus Eisschrauben in einer reinen Eisflanke wieder. Das bedeutete, ich musste während des Kletterns zuerst Steigeisen anlegen und letztlich auch Eisgeräte zur Hand nehmen. Hier hatte sich die komplette Vielfältigkeit an Klettereien auf Hochtour in eine Seillänge konzentriert, eine Paradeseillänge!
Der Ausstieg zum Gipfel forderte nochmal die Bewältigung von steilem, später flacherem Gletschergelände, das durchwegs mit Spalten durchzogen war. Hier war nochmal das Sichern, auch in der laufenden Seilschaft ohne Stände gefragt.
Zum Abschluss verzichteten wir auf eine Zusätzliche Trainingseinheit zur Bergführerprüfung. Der Abstieg blieb uns erspart. Der Wind war passend und wir hatten unsere Gleitschirme im Rucksack entdeckt. Was für ein würdiger Abschluss für eine so großartige Tour!
Die Bahn zur Aiguille Du Midi kommt mit einem sanften Ruck an der Gipfelstation zum Stehen und ich erwache aus meinem Tagtraum.
Während ich so über diese schönen, aber wenigen Vorbereitungstage nachdenke wird mir plötzlich etwas klar. Die Vorbereitungstouren waren lediglich eine Übung, um meine Skills aktuell zu halten. Die Fähigkeiten hatte ich schon lange. So etwas erlernt man nun mal nicht an einzelne Touren. Das was dich zu einem erfahrenen Bergsteiger formt ist hauptsächlich eines: Viel unterwegs sein!
Wir steigen aus der Bahn, legen unsere Ausrüstung an, verlassen das in den Berg gebaute Gebäude. Ich setze das Steigeisen an meinem rechten Fuß auf den hart gefrorenen Schnee – die Prüfungswoche beginnt!