Yosemite
Fritz Miller und Flo Böbel unterwegs von San Francisco nach Denver, 26.09.–22.10.2014
Yosemite Valley, Kalifornien. Das beste und bedeutendste Klettergebiet der Welt. Perfekte Felswände, schönes Wetter. Doch als wir zum ersten Mal Hand anlegen, ist es regnerisch und der seltsame Spalt, den wir zum Einklettern ausgesucht haben, sieht nicht gut aus. Flos einzige Zwischensicherung, ein etwas weit geöffneter 5er-Camalot, sieht ein paar feuchte Flechten später einen Sturz der Variante „Arschbombe“. Noch weniger elegant sind meine Bemühungen, in einem viel zu engen Kamin Höhe zu gewinnen… Dann fängt es wieder an zu regnen. Wo sind wir nur gelandet!?
Start am El Capitan
Ok, wir sollten wohl erst mal kleine Brötchen backen. Der El Capitan „East Buttress“ erscheint angemessen. Tatsächlich läuft es diesmal besser, sodass wir bei der Routenauswahl für den nächsten Tag mutiger sind. „It is hard to imagine a more perfect pillar of rock than The Rostrum”, sagt der Kletterführer. Yeah! Die Route verspricht über acht Seillängen das volle Programm, vom Fingerriss bis zum Kamin, inklusiv zwei dieser ominösen Offwidth-Risse. Wir ziehen unsere Action-Jeans an und machen uns an die Arbeit. Die Schwierigkeiten liegen im 7. und 8. Grad (UIAA). Flo kann sich also voll darauf konzentrieren, der hübschen Belgierin unter ihm Tipps zu geben. Bald laufen wir auf eine amerikanische Seilschaft, bestehend aus einer Frau und einem Mann, auf. Beide sind sehr nett, wie alle Amerikaner, die wir bisher getroffen haben. Aber sie können auch anders. Die Frau, gerade im Vorstieg und kurz davor abzuschmieren, will, dass ihr Kletterpartner das Seil strafft. Es geht ihr nicht schnell genug, und nach dreimal „take“ folgt ein sehr böses Wort…
Nach einem halben Tag Pause packen wir unser Zeug und marschieren zum Half Dome, dessen 600 m hohe Nordwestwand zu den begehrtesten Zielen im Valley zählt. Während wir im Dunkeln Richtung Einstieg stolpern, sehen wir schon ein paar Stirnlampen leuchten. Ok, nicht allein, war zu erwarten. Tatsächlich sind es dann aber mit uns sechs Seilschaften, die unter der Wand biwakieren und am nächsten Morgen in die Regular Route einsteigen wollen. Und in der Wand hängen auch welche rum. Erhöhte Staugefahr… Sicherheitshalber starten Flo und ich früh. Etwas überrascht stehen wir mittags schon am Gipfel, nach 6,5 h in der Wand, und blicken nicht nur auf eine absolute Traumroute zurück, sondern auch zuversichtlich Richtung El Capitan, unserem nächsten Ziel.
Great Stau unterm Great Roof
Ruhetag. Wir hängen an den El Cap Meadows rum und verfolgen mit dem Fernglas das Treiben in der „Nose“, der wohl berühmtesten Felsroute der Welt. 900 m Wandhöhe, 31 Seillängen steiler Granit, frei geklettert liegen die schwersten im 10er-Bereich, aber es lässt sich fast alles auch technisch klettern. Soweit die Fakten. Wie klein man unter den Wänden des El Capitan ist, kann man hingegen nur schwer beschreiben… Am nächsten Morgen stehen wir am Einstieg. Endlich. Mein Herz hämmert vor Freude und Aufregung. Ein Ringband gerissen, die Schulter ständig überlastet, viel Arbeit als Bergführer in Eis und Schnee, so sah mein bisheriges Kletterjahr aus. Aber jetzt wird sich gleich alles ändern.
Ein letzter Check: Windeln an? Frische Batterien im Herzschrittmacher? Los geht’s! Noch im Dunkeln lassen wir die erste Seilschaft hinter uns, dann ist die Bahn für ein paar Längen frei. Flo und ich nehmen Fahrt auf, und das müssen wir auch, denn alles ist darauf ausgelegt, dass wir am Abend zurück im Tal sind. Warum? Weil es unser Weg ist, leicht und schnell zu klettern, mit hohem Einsatz und möglichst wenig Technik. Kein Haulbag, keine Steigklemmen, nur eine Bandleiter pro Mann, für die schwersten Passagen. Wir ziehen an drei weiteren Seilschaften vorbei, bis es unterm „Great Roof“ zum großen Stau kommt. Jetzt heißt es warten, während die Sonne gnadenlos brennt…
17:25 Uhr, Flo und ich stehen nach knapp 12 h harter Kletterei am Ausstieg der „Nose“. Schmerzen, Durst und Müdigkeit, die mich zuletzt geplagt hatten, sind vergessen. Das Tal liegt friedlich zu unseren Füßen, der Half Dome leuchtet in der Abendsonne. Es ist einer dieser Momente, in denen die Zeit zu schnell verrinnt.
Nevada, Utag & Colorado
Dessert Towers bei Moab
Im zweiten Teil geht es von Las Vegas zu den gewaltien Sandsteinwänden des Zion Nationalparks, Moab, Indian Creek und schließllich nach Colorado. Aber lest selbst.
Vom Astroman nach Las Vegas
Washington Columm, „Astroman“, siebte Seillänge. Hier findet sich der wohl meistgehasste Felsspalt des Yosemite Valleys. Der amerikanische Kletterer über uns steckt gerade darin fest und schreit. Man solle dem Spalt mit einem „chickenwing dyno“ begegnen, empfiehlt der Kletterführer. Hä? Ich bin immer noch etwas kaputt vom El Capitan und habe keinen Bock mehr. Flo ist gnädig: Wir seilen ab und machen uns auf den Weg Richtung Osten.
Nach einem kurzen Stop in Bishop erreichen wir Las Vegas. Las Vegas ist super. Zuhause ist die Sorge allerdings groß, ich könnte zu viel trinken und dann Flo heiraten. Wir bleiben aber weitestgehend anständig und ziehen bald weiter, nach Utah, zu den gewaltigen Sandsteinwänden des Zion Nationalparks. Endlich wieder Natur, endlich wieder klettern! Und die Kletterei ist phantastisch, besonders im berühmten „Moonlight Buttress“ (9/9+, 11 SL, weitestgehend clean). Eine durchgehend freie Begehung scheitert leider an einer sehr speziellen Kaminverschneidung (ca. 8+) im Mittelteil der Route.
DAN
Das nächste Ziel heißt Moab. Peter, ein Kumpel von Flo, stößt zu uns und wir decken uns mit Lebensmitteln ein, für einen längeren Aufenthalt im Rissklettermekka Indian Creek. Dort, auf der Suche nach einem Zeltplatz, treffen wir Dan. Leoparden-Shirt, Sonnenschirm, unheimliche Kletterausrüstung: Dan ist ein rundum schräger Vogel. Aber wir funktionieren bestens als 4er-Team. Wir Jungen steigen die Routen vor, Dan erzählt verrückte Geschichten und fährt auch mal zum Einkaufen in den nächsten Ort. Dann gibt es für uns z. B. destilliertes Wasser (zum Kochen und Trinken), eine Knallpistole (weil er meint, wir seien schon alt genug dafür) und Zigaretten.
Wir haben eine coole Zeit in Indian Creek und klettern nebenbei eine Reihe wilder Linien. Flo onsightet z. B. „Ruby’s Cafe“ (9+, clean), ich kann zwei Routen im unteren neunten Grad punkten, darunter das 40 m lange „Desert Shield“ (1 Bolt). Bald werden Ruhetage nötig. Peter, Flo und ich klettern auf den imposanten Castleton Tower (nur drei SL…) und gehen biken. Nach dem rund 50 km langen „Whole Enchilada Trail“ schmerzen die Hände zwar mehr als zuvor, dafür aber an anderen Stellen.
LETZTER STOPP COLORADO
Wir haben Utah verlassen und sind auf dem Weg zu Dans Trailer, der in einem Vorort von Boulder (Colorado) steht. Dan ist noch länger in der Wüste unterwegs und wir dürfen dort ein paar Tage bleiben. Er teilt sich seine Behausung normalerweise mit Moe, ebenfalls Kletterer. Wir klopfen an die Tür. Moe ist zuhause und erklärt uns gleich die Regeln: Wir müssen abends leise sein, weil er früh zur Schule muss. Wir müssen dafür sorgen, dass immer genug Bier da ist. Und wenn wir gepinkelt haben, brauchen wir nicht zu spülen. Ok!
Am nächsten Tag gehen wir im Eldorado Canyon klettern, Moe aber nicht in die Schule. Abends erklärt er uns, dass er zu viel getrunken und wirklich keinen Bock hatte. Dumm nur, dass er der Lehrer ist… Ein paar kuriose Geschichten (und gekletterte Routen) später heißt es Abschied nehmen. Wir packen unser Zeug und fahren nach Denver, von wo es Richtung Heimat geht. Im Gepäck unsere durchgescheuerte Ausrüstung, eine Ladung dreckiger Klamotten und jede Menge Eindrücke und Erinnerungen, für die es sich lohnt zu rocken.
Text: Fritz Miller
Fotos: Fritz Miller, Flo Böbel