Im 3. und letzten Teil unserer Serie zur Tourenplanung angelehnt an Munters 3×3 der Lawinenkunde geht es um den Faktor Mensch, genauer um Kompetenz, aktuelle Fitness und die Gruppe, und Entscheidungen an Schlüsselstellen. 3×3 macht neun!
Kurze Erinnerung: im 1. Teil ging es um das Gelände (Tourenlänge, Schwierigkeit, Besonderheiten). Im 2. Teil besprachen wir, welche Gedanken man sich zu Verhältnissen (Schnee, Nässe, Wetter) machen muss.
Auf die Gefahr, dass wir uns wiederholen: Alle diese Faktoren müssen bei der Tourenplanung, beim Tourenstart und unmittelbar während der Tour bedacht werden.
1. Kompetenz: Was kann ich? Wie ist es mit den anderen?
Bei der Tourenplanung muss natürlich zuerst die Kompetenz aller Gruppenmitglieder bewertet und die Route dementsprechend ausgewählt werden. Es gilt der altbekannte Spruch: das schwächste Glied bestimmt das Tempo und den Schwierigkeitsgrad der Tour. Man sollte sich auch darüber Gedanken machen, ob alle in der Gruppe gleichberechtigt entscheiden oder ob einer aufgrund größerer Erfahrung die Planungshoheit hat. Und: hat jeder die richtige Ausrüstung?
Entscheidend ist auch die richtige Gruppengröße. Habe ich genügend Leute, um eine sichere Seilschaft für eine Gletscherüberquerung zu bilden? Sind vielleicht zu viele Leute in der Gruppe, um eine Grundgeschwindigkeit für eine besonders lange Tour zu gewährleisten? Sind Kinder dabei?
2. Tageskondition und Gruppendynamik
Wie ist die Stimmung in der Gruppe? Die richtige Einstellung am Berg ist ein nicht zu unterschätzender Faktor für das Gelingen einer Bergtour. Es geht dabei nicht nur darum, lustige Wanderlieder im Chor zu singen, sondern auch in schwierigen oder anstrengenden Situationen den Mut nicht zu verlieren. Psychische Erschöpfung ist eines der Hauptgründe für Blockaden. Ist ein besonders ängstlicher oder gestresster Teilnehmer in der Gruppe (die Gründe können auch unabhängig von der Tour sein), sollte das Problem möglichst rechtzeitig angesprochen werden. Dasselbe gilt auch für Streitigkeiten und Rivalitäten. Es gab schon so manch eine Himalaya-Expedition, bei denen ein Faustkampf zwischen den Expeditionsmitgliedern die Sicherheit aller gefährdet hat…
Wichtig ist es auch, kurz vor Tourenbeginn noch einmal zu prüfen, ob die Ausrüstung bei allen stimmt. Natürlich sollte man gerade bei unerfahrenen Personen noch einmal sichergehen, ob die Steigeisen wirklich passen und auch sonst alles dabei ist, was für die herrschenden Verhältnisse nötig ist.
Auch sollte die aktuelle Fitness aller im Auge behalten werden, schliesslich kann jeder mal einen schlechten Tag haben. Folgt man noch dem zu Hause erstellten Zeitplan oder leistet ein Teilnehmer unterdurchschnittlich? Gibt es Anhaltspunkte, dass der Faktor Mensch zu einem Risiko werden kann, muss das Tourziel überdacht werden.
3. Entscheidungen treffen
Über Schlüsselstellen haben wir uns schon im 1. Teil dieser Reihe Gedanken gemacht. Auch hier spielen nicht nur objektive Umstände eine Rolle, sondern auch subjektive. Abgesehen davon, dass es wieder das schwächste Glied ist, welches bei der Entscheidung Weitergehen oder Umkehren einbezogen werden muss, kann es sein, dass vielleicht einer aus Konkurrenzgefühl weitergehen will oder er sich durch die Gruppe unter Druck gesetzt fühlen. Oder es fühlt sich keiner verantwortlich, eine Entscheidung zu treffen. Hier ist die Empathie der Gruppe gefragt.
Mensch plus Verhältnisse: Im steinschlaggefährdeten Gebiet geht man zumeist in großen Abständen. Auf rollendem Schutt dagegen bleibt man dicht beieinander, so dass losgetretene Steine eine geringere Geschwindigkeit haben, wenn sie den Vorgehenden treffen. Auch bei Lawinengefahr spielt das Gruppenverhalten eine Rolle, hier sollte man das „Original“ 3×3 von Munter beachten.
Fazit: Drum prüfe, wer sich bindet…wenn auch nur für einen Tag
Im Zusammenspiel mit dem Gelände und den Verhältnissen spielt der Faktor Mensch eine zentrale Rolle für die Sicherheit am Berg und das Gelingen einer Tour. Um psychische und physische Erschöpfungen zu vermeiden, sollte man sich selber gut kennen, ehrlich in der Beurteilung der eigenen (auch tagesabhängigen) Leistungsgrenze sein und auch das gesamte Team im Auge behalten.
Nur wenn Können, Ausdauer und Psyche der gewählten Tour angemessen sind, hat eine Bergtour Aussicht auf ein gutes Gelingen.
Vielen Dank, ich finde alle drei Teile sehr hilfreich für die Tourenplanung, zur Leitung von Wanderungen und Bergtouren jeder Art! Mit herzlichem „Berg frei“ aus der Schweiz grüsst euch Anita Giger, Naturfreunde Winterthur/CH.
Danke, Anita! Viele schöne Touren wünsche ich dir.