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Monte Brento Ostwand mit Il Grande Incubo

Bigwall-Abenteuer am Monte Brento

Inhaltsverzeichnis

Monte Brento Ostwand mit Il Grande Incubo
Monte Brento Ostwand mit Il Grande Incubo

Klettern rund um Arco, das ist mehr als nur Bohrhaken clippen, Kaffee trinken und shoppen. In den großen Wänden des Sarcatals, speziell am Monte Brento, warten teils haarsträubende Abenteuerrouten auf Wiederholer. Fritz Miller und Hannes Neubert kletterten „Il Grande Incubo“ in 1,5 Tagen. Der Routenname klingt gut, so lange die Sprachkenntnisse gerade zum Bestellen einer Pizza reichen und sich einem die Übersetzung nicht erschließt. „Der große Alptraum“ kann in dieser Route nämlich schnell wahr werden: die Wand hängt im oberen Teil gewaltig über, der Fels ist über weite Strecken mies, die Haken sind schlecht. Sicher ist dabei nur, dass beim Klettern keine Langeweile aufkommt…

Der Nussknacker
Der “Nussknacker”

Die große Einbahnstraße

Am Nachmittag des 9. April klettern Hannes und ich die ersten 10 Seillängen bis zum Biwakplatz am großen Band. Die Kletterei über geneigte Platten und einzelne steilere Abschnitte ist vergleichsweise einfach, aber dennoch heikel, nicht zuletzt wegen des Steinschlags aus dem oberen Wandbereich. Nach einem komfortablen Biwak klingelt der Wecker am nächsten Morgen um vier Uhr. In leichter Kletterei erreichten wir den Baum, von dem man den oberen Wandteil angeht. Um 5:35 Uhr starte ich in die erste Länge der „Via Vertigine“. Nach dieser zweigt „Il Grande Incubo“ ab. Die Sache wird langsam ernst, Hammer und Haken, Cliffs und Pecker kommen zum Einsatz. Steile Platten und zwei Dächer folgen. In Seillänge Nr. 18 wartet der „Nussknacker“ auf uns, ein Psycho-Dach, brüchig und weitestgehend clean. Die Länge verlangt mir alles ab und kostet uns viel Zeit. Nach einer weiteren, sehr gefährlichen Länge drängt sich mehr und mehr die Frage auf, ob es eine gute Idee war, in diese Route einzusteigen. Aber: 20 gekletterte Seillängen, fünf Dächer und unzählige Querungen geht man nicht einfach so zurück – also weiter…

Einer der ausgebrochenen Haken
Einer der ausgebrochenen Haken

In der „Kartoffelpresse“

Es ist bereits Nachmittag, kalter Wind zieht durchs Sarcatal und kühlt uns langsam aus. Wir ziehen unsere Isolationsjacken über, dann mache ich mich an Seillänge 25, die auf dem „Vorbau aus dem Jenseits“ endet. Hier wollen wir – sofern irgendwie möglich – biwakieren. Wir haben kein Portaledge dabei und hoffen auf einen Absatz, um wenigstens sitzen zu können. Im Januar 2007 wurde die Route von zwei Russen wiederholt. Sie kletterten fünf Tage lang und biwakierten im oberen Wandteil drei Mal – ohne Portaledge. Also sollten wir auch irgendwo einen Biwakplatz finden, so der Gedanke. Doch der „Vorbau aus dem Jenseits“ taugt nicht für ein Biwak. Weiter geht’s, durch die „Verschneidung der Nöte“ in die „Kartoffelpresse“. Ich verlasse die Route und steuere eine Gufel links der „Kartoffelpresse“ an. Doch in der Gufel ist der Fels dermaßen brüchig, dass es unmöglich ist, irgendeine Form von Sicherung anzubringen. Also zurück. Der nächste Stand sieht vielversprechend aus. Immerhin gibt es ein kleines Band, das wir ausbauen könnten. Ich will ein Geländerseil installieren, doch zwei der vorhandenen Bohrhaken lassen sich von Hand aus dem Bruch ziehen. Und genau genommen ist der Platz eh scheiße. Langsam wird es düster im Sarcatal. Wir montieren die Stirnlampen und klettern weiter.

Nachtschicht

Seillänge 29, die letzte A3-Länge. Es ist dunkel, die Linienführung unklar. Es wird noch einmal prekär. Cliffzüge in einer glatten Platte, insgesamt nur vier Sicherungspunkte auf 25 m, zuletzt ein langer Runout. Und dann plötzlich ein bequemes Band. Stand! Freude kommt auf, der Druck ist weg. Und weil es nur noch drei Längen sind, klettern wir die auch noch. Um 23:38 Uhr ist Feierabend, nach gut 18 Std. in der Vertikalen. Hannes und ich stehen glücklich und ziemlich müde am Ausstieg, nach einem „Arco-Klettertag“ der etwas anderen Art.

Fazit

Eine gute Route, um sich ein bisschen zu fürchten. Respekt vor den Erstbegehern, für so viel Verrücktheit! Respekt vor den Russen, für ihre Sitzbiwaks! Danke Hannes fürs Mitkommen und deine starke Performance!

 

Routeninfos

1200 m Routenlänge, 32 Seillängen, Schwierigkeit 7 A3 (frühere Bewertung: 7 A4), erstbegangen 1997 von D. Filippi und M. Girardi in gut 35 Tagen. In der Route stecken zahlreiche Normalhaken und Kronenbohrhaken (M8) äußerst zweifelhafter Qualität. Brauchbare Biwakplätze: am großen Band (der beste Platz ist ganz am rechten Rand, dort liegen derzeit auch einige alte Matten), unterm „Dach der Hoffnung“ (dort hängt ein alter Lattenrost o. Ä. als Portaledge – sehr windig aber ok als Sitzbiwak), sowie ein gutes Band nach SL 29.

Materialempfehlung (zusätzlich zum üblichen Bigwall-Material)

  • Cams von ganz klein bis Camalot Gr. 4 + evtl. Linkcam grün und rot
  • 8 Normalhaken
  • 3 Cliffs, 3 Pecker (jeweils verschiedene Größen)
  • Notbohrset oder besser gleich Bohrmaschine (ein paar neue Bolts an den Ständen wären z. T. angenehm)
  • Buntes Seil, um die Stände im unteren Wandteil zu markieren, weil z. T. kaum auffindbar
  • 50-m-Seile sind für die Route ausreichend

Text: Fritz Miller, Fotos: Hannes Neubert, Fritz Miller

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Bergfreund Fritz

Zum Klettern und Bergsteigen kam ich, weil etwas wie eine große Faszination für die steile Welt in mir verankert ist (und durch ein paar Zufälle). Sicher ist es zu viel zu früh für ein Fazit. Aber wenn ich auf meine mittlerweile rund 25 Kletterjahre zurückblicke, denke ich, dass ich den Bergen und Wänden viel zu verdanken habe.

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